Der Chaos-Pakt
Stalltür und dann die schmale Schlucht hinunter. »Ich kann nicht glauben, dass Istril nicht mit Weryl gekommen ist.«
»Ich habe ja auch nicht unbedingt überall herumerzählt, dass wir aufbrechen würden. Du etwa?«
»Nein ... aber sie hätte es wissen müssen.«
Nylan führte die Stute in die Sonne hinaus und stieg in den Sattel. »Vielleicht sehen wir sie noch irgendwo da draußen.«
»Vielleicht.« Ayrlyn schien nicht überzeugt.
Im immer noch kühlen Licht des Frühlingstages ließen sie sich von den Pferden die Straße hinunter an der Schmiede vorbei tragen.
Ydrall und Huldran standen in der Tür des Gebäudes, das Nylan entworfen und errichtet hatte. Dort hatte er Dutzende der tödlichen Klingen Westwinds geschmiedet. Wenigstens hatte er es geschafft, noch etwas anzufertigen, das nicht der Zerstörung diente: einen künstlichen Fuß für Daryn.
»Passt auf Euch auf, Ingenieur ... Heilerin«, meinte die blonde Frau.
»Ihr auch«, gab Nylan zurück. Seine Stimme war belegt.
Als sie an der Zufahrt vorbeikamen, richteten sich einige Wächterinnen auf, die in den Bohnenfeldern arbeiteten. Eine deutete in ihre Richtung und winkte. Nylan winkte zurück.
Es verschwamm ihm vor den Augen, als er an den fernen Gesichtern vorbei zum Grabhügel schaute. Dort zwischen den Steinen wuchsen die dunkelgrünen Stängel der Siebensterne, die bald Blüten tragen würden.
Als die Hufe der Stute über die Steine der Brücke klapperten, blickte er zum Turm, aber auf der Zufahrt stand und winkte niemand.
Auch vom Wachturm aus sagte niemand Lebewohl, als sie über den Hügelkamm und dahinter wieder nach unten zur Straße ritten, der sie in westlicher Richtung folgen wollten.
Als die beiden an den vereinzelt stehenden Bäumen unterhalb des Hügels vorbeiritten und nach Westen auf die Straße abbogen, auf der die Truppen aus Lornth und im Jahr davor Gerlich angerückt waren, um Westwind anzugreifen, konnte Nylan im Wald eine Bewegung wahrnehmen.
»Da kommt jemand«, sagte Ayrlyn.
Nylan sah sich unwillkürlich zum Höhenzug um, auch wenn er den Turm dahinter nicht mehr sehen konnte, und griff zum Schwert. Mit Augen und Sinnen versuchte er, den sich nähernden Reiter auszumachen.
Ayrlyn, die sich hinter ihm gehalten hatte, drehte sich im Sattel um. »Da ist kein Chaos zu spüren.«
Dann kam Istril hinter den Bäumen hervor, Weryl vor die Brust geschnallt. Sie war mit zwei Klingen bewaffnet und tätschelte Weryl mit der freien Hand den Rücken.
»Nylan?« Istrils Augen waren gerötet, als hätte sie geweint, und ihre Stimme klang heiser.
»Istril? Ich habe dich und Weryl gesucht, aber Siret sagte, du wärst mit ihm ausgeritten.« Nylan und Ayrlyn zügelten die Pferde. »Ich wollte nicht gehen, ohne mich von euch beiden verabschiedet zu haben.«
»Ich weiß.« Istril hustete und zügelte ebenfalls ihr Pferd. »Ich wusste, dass Ihr gehen würdet.« Sie wandte sich an Ayrlyn. »Es tut mir Leid, dass ich Euch Ärger gemacht und Euch wehgetan habe, Heilerin. Aber ich hoffe, Ihr versteht es.«
»Istril ...«, begann Ayrlyn.
»Bitte, hört mich an, ehe Ihr etwas sagt.« Die silberhaarige Wächterin wandte sich an Nylan. »Ihr müsst Weryl mitnehmen, Ser. Er ist doch Euer Sohn. Er muss mit Euch gehen, es gibt keine andere Möglichkeit.«
Nylan zuckte zusammen. »Er ist auch dein Sohn, Istril. Viel mehr noch, als dass er der meine ist.«
»Was für ein Leben hat er hier schon zu erwarten? Er hat Euer Blut in den Adern. Die Marschallin wird ihn vertreiben, noch ehe er ausgewachsen ist. Er kann im Flachland leben, das kann ich erkennen. Ich kann es dort nicht aushalten. Meinem nächsten Kind wird es hier oben besser gehen. Die Marschallin ist nicht die Einzige, die in die Zukunft sehen kann. Ich werde meine Tochter Shierl nennen. Ich weiß, dass es ein Mädchen wird, und die Marschallin mag Mädchen.«
»Warum tust du das?«
»Ihr habt mir mehr als einmal das Leben gerettet, Ser, und Weryl ist alles, was ich Euch geben kann. Ihr werdet ihn gut erziehen. Ihr macht es richtig, ganz sicher.«
Ayrlyn, die neben ihm wartete, lächelte leicht.
»Da?«, machte Weryl, indem er beide Arme ausstreckte.
Istril fingerte an den Bändern ihres Tragesacks herum. Nach einer langen, traurigen Umarmung löste sie sich langsam von Weryl und hielt Nylan den Jungen mit den silbernen Haaren hin.
Nylan streckte die Arme aus, wie Weryl es getan hatte, um seinen Sohn in Empfang zu nehmen. Er wusste, dass es für Istril kaum etwas gab, das
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