Der Chaos-Pakt
schmerzlicher gewesen wäre.
Während der Schmied sich bemühte, Weryl vor seiner Brust zu verstauen und das Schwertgeschirr und die Klinge wieder zurechtzurücken, stieg Istril ab und löste zwei große Beutel, die sie hinter dem Sattel festgeschnallt hatte. Wieder waren ihre Wangen von Tränen feucht. »In einem sind Lebensmittel. Mehr konnte ich nicht besorgen. Im anderen sind Kleider. Viel ist es nicht.«
»Ich nehme einen Beutel«, bot Ayrlyn an.
»Ihr werdet gut zum Ingenieur sein ... und zu Weryl.« Istril schluckte und hustete. »... hasse das ... wie ich es hasse ... aber ich hätte ... ohne Euch bliebe mir überhaupt nichts.«
»Es wäre dir schon gut gegangen«, protestierte Nylan.
»Ohne Euch zwei wären wir alle längst versklavt oder tot oder beides nacheinander.« Istril räusperte sich. »Aber so ... jetzt habe ich Shierl und noch ein ganzes Leben vor mir und auch Weryl wird es gut gehen ... auch er wird es gut haben.«
Nylan wusste nicht, was er darauf sagen sollte, und so klopfte er einfach seinem Sohn auf den Rücken und sah Istril hilflos an.
»Es nützt nichts, hier herumzustehen und zu weinen wie eine Idiotin.« Istril sprang in den Sattel, warf einen letzten, langen Blick zu Weryl und trieb ihr Pferd an, um zurück zum Höhenzug und zum Turm zu traben.
»Daaa...«, machte Weryl. Nylan fragte sich, ob der Laut so traurig gemeint war, wie er klang, oder ob es nur seine eigene Trauer war, die er darin wiederzufinden glaubte.
Wieso geriet er immer in so komplizierte Situationen? War das Leben einfach so, war es Schicksal, war es seine eigene Unfähigkeit, die Zusammenhänge richtig zu erkennen? Er hatte weit genug in die Zukunft sehen können, um zu erkennen, dass Westwind einen Turm brauchte, auch eine Schmiede und eine Mühle, aber wenn es um Menschen ging, fühlte er sich blind und hilflos.
Er sah Ayrlyn an, die mit versteinertem Gesicht auf ihrem Kastanienbraunen saß.
»Du hast kaum ein Wort gesagt«, wandte er sich schließlich an sie.
»Istril tut mir Leid und auf Ryba bin ich wütend. Es hätte nicht so kommen müssen.« Die Heilerin holte tief Luft. »Ich muss über all das nachdenken. Wenn es nicht gerade Istril gewesen wäre ... irgendjemand anders und nicht Istril ...«
»Dann würdest du dich von mir trennen?«
»Wahrscheinlich.« Ayrlyn schüttelte den Kopf. »Nein. Ich würde mich nicht von dir trennen, aber ich wäre wütender, erheblich wütender. Istril ist nicht der Typ, der zu Selbstmitleid und Selbstaufopferung neigt. Sie weiß genau, was Weryl blühen würde, und das zerreißt sie förmlich. Und es würde nur noch schlimmer werden, wenn du eines Tages nach Westwind zurückkehren würdest, also denke lieber nicht darüber nach. Istril war nicht von Schuldgefühlen getrieben. Aber ich bin wütend. Jetzt haben wir ein Kind, noch bevor wir uns klar geworden sind, was wir miteinander anfangen wollen, und ich kann dir nicht einmal wirklich böse sein. Nein, irgendwie bin ich dir böse. Ein Teil in mir sagt, dass es ja nicht deine Schuld war, aber ein anderer Teil will wissen, warum du so verdammt edelmütig sein musst, dass du immer und überall damit beschäftigt bist, die Trümmer wegzuräumen.« Sie ruckte an den Zügeln. »Wir müssen sehen, dass wir weiterkommen. Hier auf dem Weg herumzusitzen wird nichts ändern.«
Nein, das würde nichts ändern.
Nylan räusperte sich, tätschelte noch einmal Weryl am Rücken und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis der Junge hungrig würde. Er zog an den Zügeln seiner Stute und begann nun endlich die Reise, deren Ende und Ausgang nicht abzusehen war, begleitet von seinem Sohn, den er in gewisser Weise kaum kannte. Und zu allem Überfluss gingen sie in ein Land, wo man sie wahrscheinlich hasste, nachdem er an dem Zufluchtsort, den er selbst gebaut hatte, nicht hatte bleiben können.
Das Leben war unfair, einfach ungerecht. Er biss die Zähne zusammen und trieb seine Stute an, um Ayrlyn zu folgen.
XIX
D er braunhaarige, in silberne Kleider gewandete Mann wartete, während der mit weißer Uniform und grüner Schärpe gerüstete Offizier in den kleinen Thronsaal trat. Es war ein mit Marmor ausgelegter Raum, der gerade groß genug für zwei oder drei cyadorische Dampfwagen gewesen wäre, von denen es inzwischen höchstens noch zwanzig gab.
»Major Piataphi?«
»Ja, Euer Majestät?«
»Setzt Euch.«
Der Major blickte zu den beiden gepolsterten Hockern am Tisch, hinter dem Lephi auf einem Stuhl mit hoher Lehne
Weitere Kostenlose Bücher