Der Chaos-Pakt
Krämerin.
Der Schmied blieb vor einem Glaskrug stehen und blickte fragend zu Gerleu.
»Reisebiskuits. Sechs für ein Kupferstück.«
»Dann nehme ich für vier Kupferstücke davon.« Nylan dachte, das Gebäck könnte eine gute Übung für Weryls wachsende Zähne bieten, und sie hatten ja aus den Börsen der Banditen und der beiden Angreifer des vergangenen Tages fast anderthalb Goldstücke in Silber- und Kupfermünzen gewonnen.
Gerleu nahm zwei Dutzend Biskuits heraus, setzte den Deckel wieder auf den Krug und wickelte das Gebäck in ein Stück altes Tuch.
»Ihr habt ja zwei Klingen«, sagte Marleu.
»Damit wir eine werfen können, wenn es nötig ist, und immer noch eine haben, mit der wir uns verteidigen können.«
»Jennyleu sagt, Euer Mann hätte seine Klinge mitten durch Buil geworfen ... stimmt das?«
Ayrlyn warf einen Blick zu Marleu und nickte. »Er kämpft nicht gern, aber ihm blieb nichts anderes übrig.«
»Das hat sie auch gesagt.« Gerleu schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, die Männer wären alle so. Ihr habt Glück.«
Nylan trat neben Ayrlyn und legte den Käse auf die Theke, dann fing er Weryl ab, der sich einen der kleinen ausgestellten Dolche schnappen wollte. »Die sind zu scharf für dich.«
»Ein Silberstück und zwei Kupferstücke«, sagte die Händlerin.
Nylan gab ihr die drei Münzen. Fast bekam er Schuldgefühle, weil der Tod der beiden Männer ihren Aufenthalt in Henspa mehr als bezahlt hatte, aber niemand hatte sich beschwert, als er den Toten die Börsen abgenommen hatte. Anscheinend war dies in Lornth so üblich. Nur was die Banditen anging, hatte er überhaupt keine Schuldgefühle.
Draußen, unter grünblauem Himmel und einer Sonne, die einen heißen Reisetag anzukündigen schien, steckte Nylan den Käse in Weryls Proviantsack, der jetzt vom fügsamen Grauen getragen wurde, und schob sich einen Biskuit für die Reise in die Hemdtasche. Er rückte den Stoff zurecht, bis weder Weryls Tragesack noch das Schultergeschirr der zweiten Klinge das Gebäck zerdrücken konnte. Allerdings hatte er ohnehin Zweifel, dass dieser harte Biskuit von irgendetwas zerdrückt werden konnte.
Auf der anderen Straßenseite arbeitete der Küfer an einem neuen Fass, zwei Hunde trotteten an der Statue vorbei. Der gelbe Hund blieb stehen und wässerte eine Ecke der niedrigen Mauer, bevor er dem schwarzweißen Mischling nach Osten die Straße hinunter folgte.
»Es ist ruhig hier«, bemerkte Nylan, als er die Stute zum Gasthof und damit zur Straße führte, auf der sie Henspa verlassen würden.
»So ist es früh am Morgen fast überall.«
Lessa winkte ihnen von der Veranda des Gasthofes aus zu.
Eine Weile ritten sie schweigend nach Nordwesten zum Ortsrand. Unterwegs sahen sie nicht mehr als eine Hand voll Menschen – eine Frau, die sich mit zwei hölzernen Wannen und ihrer Wäsche abmühte, einen Fuhrmann, der Fässer zum Hauptplatz transportierte, zwei Kinder, die in einem Garten Unkraut jäteten.
»Ist es eigentlich nur die männliche Vorherrschaft«, überlegte die Heilerin, »die dieses Land zu dem macht, was es ist?«
Nylan war nicht sicher, ob er überhaupt darauf antworten wollte.
Sie drehte sich im Sattel zu ihm um. »Nun? Du hast diesen Gesichtsausdruck, der mir sagt, dass du darüber nachgedacht hast, aber nicht zum Antworten bereit bist, solange dir nicht jemand einen Hammer auf den Kopf schlägt.«
Nylan blickte betreten zu Boden. Weryl schaute zu ihm auf und grinste ihn mit seinen Zahnstummeln an.
»Heraus damit. Ich bin nicht wie Ryba und ich werde nicht zulassen, dass du deine Gedanken für dich behältst, bis es zum Reden zu spät ist.«
»Nun ja ...« Nylan schluckte schwer. »Schau dir Henspa an. Eine einzige Frau hat die Stadt verändert. Sie ist bemerkenswert, aber ich würde sagen, dass Ryba, Istril, Huldran und wahrscheinlich noch einige andere von der Winterspeer das Gleiche erreicht hätten. In dieser Kultur hier werden die Frauen unterdrückt, aber müssen sie diese Art von Unterdrückung wirklich hinnehmen?«
»Das ist eine gute Frage.« Ayrlyn schwieg, während sie an einer Kate vorbeiritten, in deren Garten eine Frau mit verschlissenen grauen Hosen und verblichenem braunem Hemd Unkraut jätete. Ihr Kind trug sie auf dem Rücken. »Aber schau dir nur an, wie viele Frauen nach Westwind geflohen sind.«
Nylan rieb sich das Kinn. Ihm war eingefallen, dass man ihn aus größerer Entfernung zwangsläufig für eine Frau hielt, weil er keinen Bart trug. »Henspa liegt
Weitere Kostenlose Bücher