Der Chaos-Pakt
sich schon die ganze Stadt so abweisend gezeigt hatte.
Als sie den Platz verließen, begleitet vom Knallen der Fensterläden, die geschlossen wurden, kurz bevor oder während sie vorbeikamen, wurde es dunkel und ein tiefer Schatten legte sich über die Straße. Waren die Wolken so schnell dichter geworden?
»War es im letzten Jahr auch schon so wie jetzt?«, fragte er.
»Ja, in ungefähr der Hälfte der Orte.«
Nylan tätschelte beruhigend Weryls Bein.
Als sie den Stadtrand erreichten, waren hinter ihnen alle Läden verschlossen, aber die Sonne war wieder hervorgekommen.
Ein Stück rechts vor ihnen lag die Villa.
Weryl strampelte im Tragesack und Nylan roch einen allzu vertrauten Geruch. Ausgerechnet jetzt. Dann zuckte er mit den Achseln. Weryl verstand eben noch nicht, was gutes Timing war.
Auf der Straße, die zur neorationalistischen Villa führte, ritten neun Männer, alle braun gekleidet. Der Trupp kam durchs Stadttor und stellte sich in einer Reihe auf, acht hinten und ein Mann allein vor den anderen.
»Was jetzt?« Nylan warf einen raschen Blick zur Heilerin.
»Was meinst du denn?«
»Weiterreiten. Sie ignorieren. Wenn sie es ernst meinen, können sie uns ohnehin einholen. Ihre Pferde sind frisch.« Nylans Mund wurde trocken und er roch den Staub und seinen eigenen Schweiß.
»Wir könnten sie vielleicht voneinander trennen.«
»Das ist der Plan für den Notfall, falls sie angreifen«, erwiderte Nylan. Er konnte sich noch gut erinnern, wie elend er sich vor drei Tagen in Henspa gefühlt hatte, und an die Episode mit den Banditen in den Westhörnern dachte er lieber überhaupt nicht mehr zurück.
Er blickte zu Weryl hinunter. Ayrlyn hatte Recht, er musste sich bald etwas Besseres einfallen lassen, um seinen Sohn zu transportieren.
Der Anführer des Trupps wartete, während Nylan und Ayrlyn sich dem Tor näherten. Das zweite Pferd in der Reihe hinter dem Anführer schnaubte und scharrte mit einem Huf auf dem harten Lehmboden.
Nylan unterdrückte den Impuls, sich die Lippen zu lecken und zum Schwert zu greifen. Er ritt weiter, ließ sich von der Stute langsam zu den wartenden Bewaffneten tragen.
»Engel ... Ihr seid hier nicht erwünscht«, verkündete der blonde Anführer, indem er ein großes Schwert aus dem Schultergeschirr zog und mit der Spitze nach unten bereithielt.
»Das ist uns bewusst«, sagte Ayrlyn. »Wir verlangen keine Gastfreundschaft von Eurem Herrn.«
»Die Straße steht Euch offen wie jedem anderen Reisenden«, erwiderte der Bewaffnete. »Aber Ihr solltet lieber auf der Straße bleiben, bis Ihr Duevek ein gutes Stück hinter Euch gelassen habt.«
»Das haben wir auch vor, Ser«, antwortete die Heilerin. »Und wir danken Eurem Herrn, dass er das Wegerecht achtet.«
»Er achtet das Wegerecht, aber nicht die Engel, die auf den Straßen reisen.« Nach kurzem Zögern fügte der Bewaffnete hinzu: »Ihr seid gewarnt.«
»Wir sind gewarnt.«
Nylan betrachtete den Bewaffneten und lächelte. »Diejenigen, die zur Gewalt greifen, weil andere Menschen anders sind, diejenigen, die Fremden das Willkommen verweigern und nicht bereit sind, alle Menschen gleich zu behandeln, diejenigen, die uns Engel ablehnen, weil wir erklärt haben, dass Männer und Frauen gleich sind ... auch die sollen gewarnt sein.« Er spürte, wie seine Augen blitzten.
Der blonde Offizier wollte das Schwert heben.
Nylan sah dem Mann gleichmütig in die Augen, während die Stute ihn am Anführer des Trupps vorbeitrug. »Und jeder Mann, der das Schwert gegen einen unbewaffneten Engel erhebt, wird sterben.«
Nach einem Augenblick sank die Klinge wieder herunter.
Nylan sah nach vorn, überwachte aber mit den Sinnen die Bewaffneten.
Keiner regte sich.
Erst als sie eine gute halbe Meile auf der Straße geritten waren, ergriff Ayrlyn wieder das Wort. »Das war gefährlich, Nylan. Diese Burschen sind halb verrückt und sie halten Frauen für noch wertloser als Pferdedreck.«
»Ich bemühe mich einfach, uns bekannt zu machen«, sagte Nylan scheinbar unbeschwert, während er versuchte, das leichte Unbehagen im Bauch zu unterdrücken. Er wusste natürlich, wie tollkühn seine Worte gewesen waren. »Sie werden sich erinnern und vielleicht sogar herausfinden, was in Henspa geschehen ist.«
»Narliat sagte einmal, aus dir ströme ein unsichtbares Feuer heraus. Jetzt habe ich es auch gesehen.« Sie schüttelte den Kopf. »Der Mann wird nie vergessen, was du gesagt hast. Natürlich könnte er versuchen, dich auf der Stelle
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