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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Verstocktes Schweigen. Ludwig Farny, das Knechtlein, versuchte das Schweigen seines Stiefbruders zu brechen.
    »So red doch, Ernst!« sagte er, beschwörend schier, und in seiner Stimme schienen Tränen zu zittern.
    Aber Ernst Äbi wollte nicht sprechen. Er hob die Achseln, bis sie seine Ohren berührten, die groß waren und stark gerötet – so, als wolle er mit dieser Bewegung andeuten, daß jede Aussage sinnlos sei. Und eigentlich verstand der Wachtmeister diesen stummen Protest…
    »Wenn Sie nichts dagegen haben, Herr Direktor« (sein schönstes Schriftdeutsch benützte Studer, um diesen Vorschlag zumachen), »dann könnten wir vielleicht – natürlich mit Ihrem Einverständnis, und nur, wenn Sie nichts dagegen haben! – zu folgendem Schluß gelangen: Sie werden selbst zugeben müssen, daß das Auffinden dieses sonderbar verdächtigen Päckleins für die Schuld – wenigstens die Mitschuld – eines Ihrer Schüler an dem mysteriösen Morde spricht…«
    »Müschteriös, sehr müschteriös…«, seufzte Sack-Amherd.
    »Wissen Sie, was? Sie haben im ersten Stocke ein schönes Krankenzimmer, es ist leer, ganz leer, was ein sicherer Beweis für die äußerst hygienische Führung Ihrer Schule ist…«
    »Hohoho«, lachte Sack-Amherd geschmeichelt und bettete sein Kinn verschämt auf die schwarze Plastronkrawatte, welche die gestärkte Hemdbrust bedeckte.
    »Ich mag den Ernst Äbi nicht verhaften, bis ich meiner Sache sicher bin«, fuhr Studer fort, und er sprach so laut, daß auch die beiden Stiefbrüder jede Silbe seiner Rede verstehen konnten. »Wie wäre es, wenn wir die beiden Brüder in dies Krankenzimmer täten, Ludwig Farny könnte auf Ihren Schüler aufpassen, und ich wäre dann sicher, daß der Verdächtige nicht versuchen würde, zu entfliehen. Zu dem Knechtlein habe ich Vertrauen…«
    »Was?« fauchte der Direktor und schob sein Kinn vor. »Was? Einem ehemaligen Armenhäusler? Einem Burschen, der in Korrektionsanstalten erzogen worden ist, schenken Sie Ihr Vertrauen?«
    »Ja«, sagte Studer milde. »Ich habe Vertrauen zu ihm, weil auch der Chi…, äh… sein Onkel, Vertrauen zu ihm gehabt hat…«
    » Sie haben die Verantwortung zu tragen, Herr Wachtmeister Studer. Und wenn Sie von der Kantonspolizei gedeckt werden, so habe ich…«
    »Woscht, Ludwig?« Das Knechtlein nickte. »Und du, Ernscht?«
    »Ja… gärn!«
    »Dann wäre alles erledigt!« Studer stieß einen Seufzer aus, der seine Zufriedenheit ausdrückte. »Tagsüber können die beiden meinetwegen im Haus herumgehen, aber um sechs Uhr abends schließen Sie, Herr Direktor, die Zimmertüre zu und behalten den Schlüssel bis zum nächsten Morgen. Sie sind mir verantwortlich für Ihren Schüler!«
    Sack-Amherd wollte widersprechen – doch dann verschluckte er den geplanten Einwand und gab durch ein Kopfnicken sein Einverständnis kund.
    »Läbet wohl, mitenand!« Der Wachtmeister winkte mit der Hand, strich seinem Helfer sanft über das roggenblonde Haar, krümmte dann seine Finger und boxte den Ernst Äbi freundschaftlich gegen die Brust:
    »Mach keine Dummheiten, Krauterer!«
    Dann stieg er langsam die Stufen hinab und hörte noch des Direktors erboste Stimme. Sack-Amherd regte sich über das Wort ›Krauterer‹ auf. Für einen Studierenden, der im Februar des nächsten Jahres das grüne Diplombüchlein erhalten sollte, war dies Wort eine Beleidigung.

's Trili-Müetti
    Der Weg, welcher die Gartenbauschule mit der Wirtschaft »Zur Sonne« verband, führte am Hofeingang der Armenanstalt vorbei. Unter dem Tore blieb der Wachtmeister stehen und sah einem Weiblein zu, das in einem großen Holzbottich wusch. Verfilzte, weißgraue Haare flatterten auf einem winzigen Köpflein, in der ganz nach rechts gerutschten Nase waren die Löcher groß. Neben der Wäscherin lagen am Boden schmutzige Leintücher, Hemden, Kissenbezüge, Nastücher, und um ihre Beine strich ein junges Hähnlein, das von Zeit zu Zeit versuchte, ein Krähen loszulassen. Doch dies gelang dem Güggeli nicht: der mühsame Kräh zerbrach – wahrscheinlich litt das Tierlein an Stimmbruch.
    » Grüeß di, Müetti!« Studer blieb stehen und vergrub die Fäuste in den Manteltaschen. Der rechte Ellbogen preßte das im Schrank des Äbi Ernst gefundene Päcklein gegen die Hüfte…
    »Grüeß di wou, schöne Ma!« Das Weiblein kicherte, hustete, seine zwinkernden Äuglein tränten.
    »Gäng wärche?«
    »Deich wou! 's Trili-Müetti mueß schaffe, schaffe, nüt as schaffe!…
    Drei

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