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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Arnold Äbi zu sein… Es konnte gerade so gut Direktor Sack-Amherd, Lehrer Wottli, ja selbst das Knechtlein Ludwig sein. Diese drei waren während der ganzen Zeit anwesend gewesen und zwei von diesen dreien hatten energisch gegen die Möglichkeit eines Umtausches protestiert… Man mußte ein Motiv finden, das einen der Anwesenden zu einem Mord gezwungen hatte. Gab es ein solches?
    B'hüetis! Es war nicht das erste Mal, daß Studer von einem Vater hörte, der seinen Sohn umgebracht hatte… Der Grund? Ernst Äbi war sicher im Testament des ›Chinesen‹ bedacht worden. Fiel er aus, so profitierten die anderen Erben davon. Die anderen? Nicht nur der Trinker war durch seine Frau an dieser Erbschaft beteiligt, sondern auch der Hausvater Hungerlott – durch seine verstorbene Frau. Ludwig mußte ebenfalls mitgezählt werden. Und endlich der Lehrer Wottli.
    Der Wachtmeister wurde müde. Er stellte fest, daß es schon viertel nach elf war. Am liebsten hätte er, ohne viele Höflichkeitsformeln, alle die im Gewächshaus umherstanden, verhaftet – oder zum Teufel gejagt. Aber das ließ sich nicht machen. Darum verlangte er von Sack-Amherd, schnell noch ins Schulhaus geführt zu werden. Zwei Sachen wolle er sehen, erklärte er: Die Schublade, in welcher der andere Schlüssel versorgt worden war und das Pult des Toten. Paul Wottli wurde gebeten, den Vater des Ernst ins Armenhaus zu begleiten und dann heimzugehen.
    »Ludwig«, sagte er schließlich zum Knechtlein, »Ludwig, du bleibst hier! Du bewachst mir das Gewächshaus, bis ich wieder zurückkomme und dich abhole. Verstanden? Von Euch, Herr Wottli, verlange ich noch den Schlüssel zur Außentür. Nehmen Sie ihn von Ihrem Bund!… Määrci. Und jetzt kommen Sie, Herr Sack-Amherd…«

Schüler bei Nacht
    Das Erdgeschoß der Schule war noch hell erleuchtet und auch oben, im zweiten Stock brannte noch Licht. Als Studer mit dem Direktor die Vorhalle betrat, mußte er an einen riesigen Bienenstock denken. Denn das ganze Haus war erfüllt von einem lauten Summen, das nur von den geschlossenen Klassentüren gedämpft wurde.
    Sack-Amherd trat in sein Bureau und drehte das Licht an. Ein sogenannter Diplomatenschreibtisch beim Fenster, neben der Tür ein eiserner Geldschrank und an den Wänden Gestelle, gefüllt mit Briefordnern… Der Direktor setzte sich mürrisch auf den Armstuhl, der vor dem Schreibtisch stand, öffnete eine unverschlossene Schublade und begann zu wühlen. Papiere flatterten auf den Boden, dann wurde eine zweite Schublade geöffnet, durchsucht – eine dritte…
    »Der Schlüssel ist fort«, seufzte Sack-Amherd.
    Studer nickte schweigend.
    »Das ist doch der beste Beweis«, fuhr der Direktor fort, »daß der Verstorbene mein Bureau betreten und den Schlüssel geholt hat, weil er Selbstmord begehen wollte. Oder?«
    Studer hob die Achseln und vergrub die Fäuste noch tiefer in die Taschen seiner Hose.
    »Beweis?« murmelte er. »Ich seh' gar keinen Beweis. Wir müssen zuerst feststellen, wann der Äbi den Schlüssel genommen hat. Heut abend? Oder schon früher? Im Laufe des Tages? Und sind Sie ganz sicher, daß ihr Schlüssel neu war, Herr Direktor? War es wirklich dieser Schlüssel?« Studer zog den glänzenden Gegenstand aus der Tasche und hielt ihn dem anderen vor die Nase. Sack-Amherd gähnte.
    »Wie soll ich das wissen? Ich hab' den Schlüssel schon lang nicht mehr gesehen. Jetzt erinnere ich mich auch: Als ihn der Äbi vorige Woche verlangte, hab' ich ihm ganz einfach gesagt, er soll ihn holen gehen und ihm erklärt, in welcher Schublade er liegen müsse. Dann hat er ihn zurückgebracht und selbst wieder versorgt. Erst nachdem er ihn versorgt hatte, meldete er mir, es sei alles in Ordnung. Ich kann mich doch nicht um jeden Dreck kümmern. Wollen Sie noch sein Pult anschauen gehen?«
    Sie traten auf den Gang und schritten auf die Türe zu, die dem Direktionsbureau schief gegenüber lag.
    »Warten wir ein wenig«, sagte Studer leise, legte die Hand auf des Direktors Arm und zwang ihn zum Stehenbleiben. Im Klassenzimmer sagte eine Stimme:
    »Und, Baumann, glaubst du wirklich, daß dieser Wachtmeister, dieser Schroter etwas finden wird? Statt uns zu fragen, ist er nur hinter dem Alten her und dem Wottli. Als ob die beiden eine Ahnung hätten, was mit dem Äbi los ist. Ich weiß über den Äbi besser Bescheid als die ganze Schule. Das kannst du mir glauben!«
    »Psch! Pschsch!« tönte es. »Nicht so laut! Wenn jemand zuhört!« – »Ich will schnell die Tür

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