Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
gefunden zu haben.«
     
    »Aber Sie meinen, dass sie sich irren?«
     
    »Ich habe ein bisschen mit Leuten gesprochen, die ihn kannten. Er hatte den großen Traum, einmal berühmt zu werden. Er soll Menschen weisgemacht haben, er sei Spion oder ein heimlicher Sohn des Königs. Ein Geständnis konnte ihm zu Ruhm verhelfen. Das Einzige, was ich nicht verstehe, ist, warum er seine Vorstellung vorzeitig beendet hat. Da verliert die Geschichte für mich ihre Plausibilität.«
     
    »Sie glauben also, dass er nicht der Täter war?«
     
    »Das muss die Zukunft zeigen. Aber Sie hören, wie ich denke. Das sollte Antwort genug sein. Ich möchte nur wissen, welche Schlussfolgerungen Sie gezogen haben. Stimmen sie mit meinen überein?«
     
    »Ich habe mich nicht mehr für diese Sache interessiert als sonst jemand. Jetzt sollten Sie allmählich akzeptieren, dass ich die Gespräche mit Ihnen satt habe.«
     
    Lars Emanuelsson schien sie gar nicht zu hören. »Erzählen Sie jetzt von den Tagebüchern. Irgendetwas müssen sie mit dieser Geschichte zu tun haben.«
     
    »Hören Sie auf damit, mich anzurufen.«
     
    Sie legte auf. Es klingelte sofort wieder. Sie nahm nicht ab. Nachdem es fünf Minuten still geblieben war, wählte sie die Nummer des Polizeipräsidiums in Hudiksvall. Es dauerte lange, bis sie zur Vermittlung durchkam, wo sie die Stimme des Mädchens vom Vortag erkannte. Sie klang aufgedreht und erschöpft zugleich.
     
    Vivi Sundberg war nicht zu sprechen. Birgitta Roslin hinterließ ihre Nummer und ihren Namen. »Versprechen kann ich nichts«, sagte das Mädchen in der Vermittlung. »Heute ist Chaos hier.« 
    »Das kann ich verstehen. Bitten Sie Vivi Sundberg, mich anzurufen, wenn sie Zeit hat.«
     
    »Ist es wichtig?«
     
    »Vivi Sundberg weiß, wer ich bin. Das reicht vielleicht als Antwort auf Ihre Frage.«
     
    Vivi Sundberg rief am nächsten Tag an. Die Nachrichten wurden von dem Skandal im Untersuchungsgefängnis Hudiksvall beherrscht. Der Justizminister hatte in einer markanten Stellungnahme eine genaue Untersuchung des Vorfalls zugesagt und erklärt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden.
     
    Tobias Ludwig hielt bei seinen Treffen mit Journalisten und Fernsehkameras die Stellung, so gut er konnte. Aber alle waren sich einig, dass genau das, was nicht hätte passieren dürfen, passiert war.
     
    Vivi Sundberg war müde am Telefon. Birgitta Roslin beschloss, keine Fragen zu der Situation nach dem Selbstmord zu stellen. Stattdessen berichtete sie von dem roten Band und teilte Vivi Sundberg die Überlegungen mit, die sie in ihrer schriftlichen Zusammenfassung an den Rand geschrieben hatte.
     
    Vivi Sundberg hörte ihr kommentarlos zu. Birgitta Roslin konnte im Hintergrund Stimmen hören und beneidete sie nicht um die Spannung, die gegenwärtig im Polizeipräsidium herrschen musste.
     
    Birgitta Roslin endete mit der Frage, ob Licht in den Zimmern, in denen die Toten gefunden worden waren, gebrannt hatte.
     
    »Sie haben tatsächlich recht«, antwortete Vivi Sundberg. »Wir haben uns genau darüber Gedanken gemacht. Das Licht brannte, in allen Zimmern außer einem.«
     
    »In dem der tote Junge lag?«
     
    »Das ist richtig.«
     
    »Haben Sie eine Erklärung?«
     
    »Sie müssen verstehen, dass ich darüber nicht am Telefon mit Ihnen sprechen kann.« »Natürlich nicht. Entschuldigung.« »Schon gut. Aber ich möchte Sie um etwas bitten. Schrei
     
    ben Sie die Gedanken auf, die Sie sich über die Ereignisse von Hesjövallen gemacht haben. Um das rote Band kümmere ich mich selbst. Aber das Übrige. Schreiben Sie es auf und schicken Sie es mir.«
     
    »Lars-Erik Valfridsson hat diese Tat nicht begangen«, sagte Birgitta Roslin.
     
    Die Worte kamen aus heiterem Himmel. Sie war ebenso unvorbereitet darauf, sie auszusprechen, wie Vivi Sundberg es war, sie zu hören.
     
    »Schicken Sie Ihre Überlegungen«, wiederholte Vivi Sundberg. »Danke für Ihren Anruf.«
     
    »Und die Tagebücher?«
     
    »Es ist besser, wenn wir sie jetzt zurückbekommen.« Nach dem Gespräch fühlte Birgitta sich erleichtert. Ihre Anstrengungen hatten trotz allem einen Sinn gehabt. Jetzt konnte sie das Ganze aus der Hand geben. Im besten Fall würde die Polizei eines Tages den Mörder aufspüren, ob er allein gewesen war oder nicht. Es würde sie nicht wundern, wenn sich zeigte, dass ein Mann aus China in die Tat verwickelt war.
     
    Am nächsten Tag ging Birgitta Roslin zu ihrem Arzt. Es war ein windiger

Weitere Kostenlose Bücher