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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hattest mir Vivi Sundbergs Namen genannt. Aber ich glaube, du wusstest nicht, dass ich hingefahren bin.«
     
    »Es ist tatsächlich eine Überraschung, das muss ich zugeben.«
     
    »Erinnerst du dich, wie es war? Ich hatte entdeckt, dass eine der in Hesjövallen ermordeten Familien die Pflegefamilie meiner Mutter war. Dann hat sich gezeigt, dass alle, die getötet wurden, durch Einheirat miteinander verwandt waren. Hast du Zeit?«
     
    »Mein Anrufbeantworter erklärt, dass ich für den Rest des Tages in dienstlichen Angelegenheiten außer Haus bin. Weil ich keinen Bereitschaftsdienst habe, kann ich bis morgen hier sitzen.«
     
    »Bis die Kühe nach Hause gehen? Sagt man nicht so?« 
    »Oder bis die apokalyptischen Reiter vorbeiziehen und uns allen den Garaus machen. Unterhalte mich jetzt mit all den Grässlichkeiten, mit denen ich mich nicht zu befassen brauche.«
     
    »Bist du zynisch?«
     
    Er runzelte die Stirn und knurrte. »Kennst du mich so schlecht? Nach all diesen Jahren? Du kränkst mich.« 
    »Das wollte ich nicht.« 
    »Dann kannst du anfangen. Ich höre.« Weil es ihn wirklich zu interessieren schien, erzählte Bir gitta Roslin, was geschehen war. Er hörte aufmerksam zu, warf dann und wann eine Frage ein, schien aber überzeugt zu sein, dass sie es mit den Einzelheiten genau nahm. Nachdem sie geendet hatte, saß er eine Weile schweigend da und betrachtete seine Hände. Sie wusste, dass Hugo Malmberg als außerordentlich kompetenter Kriminalbeamter galt. Er verband Geduld mit Schnelligkeit, Methodik mit Intuition. Sie hatte erzählen hören, dass er einer der meistgefragten Lehrer in der Polizeiausbildung des Landes war. Obwohl er in Helsingborg Dienst tat, war er via Reichsmordkommission häufig an schwierigen Ermittlungen an anderen Orten im Lande beteiligt.
     
    Plötzlich fand sie es bemerkenswert, dass man ihn nicht in die Mordermittlung in Hesjövallen eingeschaltet hatte. Sie fragte ihn geradeheraus, und er lächelte. »Sie haben tatsächlich angefragt. Aber keiner hat angedeutet, dass du dich in der Gegend aufgehalten und merkwürdige Entdeckungen gemacht hast.«
     
    »Ich glaube, sie mochten mich nicht.«
     
    »Polizeibeamte wachen eifersüchtig über ihre Futternäpfe. Sie wollten mich dabeihaben. Aber als sie Valdfridsson festgenommen hatten, ließ das Interesse nach.«
     
    »Jetzt ist er tot.«
     
    »Die Ermittlung geht weiter.«
     
    »Aber du weißt ja, dass er es nicht war.«
     
    »Weiß ich das?«
     
    »Du hast doch gehört, was ich erzählt habe.«
     
    »Merkwürdige Ereignisse, bestechende Fakten. Dinge, die selbstverständlich genauer untersucht werden müssen. Aber die Hauptspur Lars-Erik Valfridsson wird nicht schlechter dadurch, dass der Mann sich umbringt.«
     
    »Er war es nicht. Was da in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar geschehen ist, kann ein Mann mit ein paar Vorstrafen wegen Körperverletzung und wegen eines verjährten Totschlags nicht auf die Beine stellen.«
     
    »Du magst recht haben. Aber du kannst dich auch irren. Es zeigt sich immer wieder, dass die fettesten Fische in den ruhigsten Wassern schwimmen. Der Fahrraddieb wird Bankräuber, der Raufbold wird professioneller Geldeintreiber, der für Geld jeden beliebigen Menschen um die Ecke bringt. Irgendwann musste es wohl auch hier in Schweden passieren, dass ein Mann, der einen Totschlag begangen hat und im Suff Leute zusammenschlägt, völlig durchdreht und eine so entsetzliche Tat begeht.«
     
    »Aber es gibt doch kein Motiv.«
     
    »Der Staatsanwalt spricht von Rache.«
     
    »Wofür? Rache an einem ganzen Dorf? Das ergibt doch keinen Sinn.« 
    »Wenn das Verbrechen an sich keinen Sinn ergibt, dann muss das Motiv auch nicht sinnvoll sein.« 
    »Ich glaube jedenfalls, dass Valfridsson eine falsche Spur war.« 
    »Eine falsche Spur ist. Was habe ich gesagt? Die Ermittlung geht weiter, auch wenn er tot ist. Lass mich dir noch eine Frage stellen. Ist dein Gedanke an einen Chinesen so viel glaubwürdiger? Wie um Himmels willen soll man ein kleines Dorf in Norrland mit einem chinesischen Motiv in Verbindung bringen?«
     
    »Ich weiß es nicht.« 
    »Warten wir es ab. Und du sieh zu, dass du gesund wirst.« Es schneite kräftiger, als er wieder gehen wollte. »Warum fährst du nicht weg? In die Sonne?« 
    »Das sagen alle. Ich muss nur zuerst meine Arzttermine hinter mich bringen.«
     
    Sie sah ihm nach, wie er im Schneetreiben verschwand. Es rührte sie, dass er sich die Zeit genommen hatte, sie

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