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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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    Am nächsten Tag war das Schneewetter abgezogen. Sie besuchte die Klinik des Spezialisten, ließ sich Blut abnehmen und erfuhr, dass es eine gute Woche dauern würde, bis die Analysen fertig waren.
     
    »Muss ich irgendwelche Beschränkungen einhalten?« fragte sie ihren neuen Arzt.
     
    »Vermeiden Sie unnötige Anstrengungen.«
     
    »Kann ich verreisen?«
     
    »Kein Problem.«
     
    »Ich habe noch eine Frage. Muss ich Angst haben?« 
    »Nein. Da Sie keine anderen Symptome haben, gibt es keinen Anlass zu Besorgnis.« »Ich werde also nicht sterben?« 
    »Doch, das werden Sie. Wie ich auch. Aber nicht vorzeitig, wenn wir Ihren Blutdruck auf ein vernünftiges Niveau senken.« Als sie wieder auf der Straße stand, wurde ihr klar, wie beunruhigt sie gewesen war, ja, dass sie Todesangst gehabt hatte. Jetzt fühlte sie sich erleichtert. Sie nahm sich vor, einen langen Spaziergang zu machen. Aber schon nach wenigen Metern hielt sie abrupt inne.
     
    Der Gedanke kam wie aus dem Nichts. Oder vielleicht hatte sie bereits unbewusst den Entschluss gefasst. Sie ging in ein Cafe und rief Karin Wiman an. Es war besetzt. Sie wartete ungeduldig, bestellte Kaffee, blätterte in einer Zeitung. Immer noch besetzt. Erst beim fünften Versuch kam sie durch. »Ich fahre mit nach Peking.«
     
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Karin Wiman begriff. »Was ist passiert?« 
    »Ich bin weiter krankgeschrieben. Aber der Arzt sagt, ich könnte reisen.«
     
    »Ist das wahr?«
     
    »Alle Welt sagt mir, dass ich verreisen soll. Mein Mann, meine Kinder, mein Vorgesetzter, alle. Jetzt begreife ich, dass ich das wirklich tun sollte. Wenn du immer noch Lust hast, das Zimmer mit mir zu teilen?«
     
    »Ich fliege in drei Tagen. Da wird es etwas knapp, dir ein Visum zu beschaffen.«
     
    »Vielleicht ist es zu spät?«
     
    »Normalerweise dauert es länger. Aber ich kann vielleicht an ein paar Fäden ziehen. Um das Flugticket musst du dich selbst kümmern.«
     
    »Ich erinnere mich, dass du mit Finnair fliegst.« 
    »Du bekommst die Flugnummern. Ich schicke sie dir per SMS. Ich habe sie nicht hier. Dann brauche ich dringend eine Kopie deines Passes.« »Ich beeile mich, dass ich nach Hause komme.«
     
    Ein paar Stunden später hatte sie sämtliche Papiere, die Karin Wiman brauchte, abgeschickt, aber es war ihr nicht gelungen, in derselben Maschine einen Platz zu bekommen. Nach mehreren Telefonaten beschlossen sie, dass Birgitta einen Tag später fliegen würde. Da hatte die Tagung noch nicht begonnen. Karin war Mitglied des Organisationskomitees, das die verschiedenen Arbeitskreise vorbereitete. Sie versprach, sich davonzustehlen und Birgitta am Flughafen abzuholen.
     
    Birgitta Roslin verspürte ein ähnliches Reisefieber wie damals, als sie mit sechzehn Jahren eine Sprachreise nach Eastbourne in England unternommen hatte.
     
    »Herrgott«, rief sie ins Telefon. »Ich weiß nicht mal, was für ein Klima dort ist. Ist Sommer oder Winter?« »Winter. Wie hier. Aber es ist eine trockene Kälte. Manchmal gelangen Stürme aus den Wüsten im Norden bis nach Peking. Bereite dich vor wie auf eine Expedition in die Arktis. Es ist überall kalt, auch in den Häusern. Es ist inzwischen besser als bei meinem ersten Besuch. Da wohnte ich in den besten Hotels, schlief aber in allen Kleidern. Jeden Morgen wachte ich von all den quietschenden Fahrrädern auf. Nimm warme Unterwäsche mit. Und Kaffee. Den können sie noch nicht machen. Aber nein, das stimmt nicht, was ich da sage. Nur sicherheitshalber. Der Kaffee im Hotel ist nicht immer so stark, wie man ihn sich wünscht.«
     
    »Muss man gut angezogen sein?« 
    »Die Bankette bleiben dir erspart. Aber ein schönes Kleid kann nicht schaden.« 
    »Wie benimmt man sich? Was zieht man nicht an? Was sagt man nicht? Ich habe einmal gedacht, ich wüsste alles über China. Aber das war die Version der Rebellen. In China marschierte man, man baute Reis an, und man hielt Maos kleines Rotes in die Höhe. Im Sommer schwamm man. Kräftige Züge, der Zukunft entgegen, im Kielwasser des Großen Steuermanns.«
     
    »Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Warme Unterwäsche reicht. Dollar in bar. Kreditkarten kannst du benutzen, aber nicht überall. Gute Laufschuhe. Man erkältet sich leicht. Rechne nicht damit, dass du die Medikamente findest, an die du gewöhnt bist.«
     
    Birgitta Roslin machte Notizen. Nach dem Gespräch holte sie ihren besten Koffer aus der Garage. Am Abend sprach

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