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Der Chinese

Der Chinese

Titel: Der Chinese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Uniform. Er will nicht stören, während Sie frühstücken.«
     
    Birgitta Roslin hob die Hände in einer resignierenden Geste. »Ich habe kein größeres Problem damit, Menschen in Uniform zu treffen.«
     
    Sie stand auf und legte die Serviette auf den Tisch. Im gleichen Augenblick kam Karin in den Frühstücksraum und sah sie fragend an. Birgitta war gezwungen zu erklären, was geschehen war, und stellte Hong vor. »Ich weiß nicht richtig, worum es geht«, sagte sie zu Karin. »Anscheinend hat die Polizei einen Mann, der mich vor ein paar Tagen überfallen hat, festgenommen. Frühstücke du in Ruhe. Ich komme zurück, wenn ich mir angehört habe, was der Polizist zu sagen hat.«
     
    »Warum hast du mir nichts erzählt?«
     
    »Ich wollte dich nicht beunruhigen.«
     
    »Stattdessen bin ich jetzt beunruhigt. Sogar mehr als das.« 
    »Das brauchst du nicht zu sein.«
     
    »Um zehn Uhr müssen wir zum Flugplatz fahren.« 
    »Bis dahin sind es noch zwei Stunden.«
     
    Birgitta Roslin folgte Hong. Die beiden Männer waren die ganze Zeit im Hintergrund. Sie gingen den Korridor entlang, der zu den Aufzügen führte, und blieben vor einer Tür stehen, die nur angelehnt war. Birgitta Roslin sah, dass es sich um einen kleinen Konferenzsaal handelte. An der Schmalseite des ovalen Tisches saß ein älterer Mann und rauchte. Er trug eine dunkelblaue Uniform mit vielen Auszeichnungen. Auf dem Tisch lag seine Uniformmütze. Er stand auf und verneigte sich vor ihr und zeigte gleichzeitig auf einen Stuhl neben sich. Hong stellte sich ans Fenster im Hintergrund. Chan Bing hatte blutunterlaufene Augen und nach hinten gekämmtes dünnes Haar. Birgitta Roslin hatte das unbestimmte Gefühl, dass der Mann, der neben ihr saß, sehr gefährlich war. Er sog gierig den Rauch der Zigarette ein. Im Aschenbecher lagen bereits drei Kippen.
     
    Hong sagte ein paar Worte, Chan Bing nickte. Birgitta Roslin versuchte sich zu erinnern, ob sie jemals einen Mann getroffen hatte, der mehr rote Sterne auf den Schultern hatte. Chan Bings Stimme war heiser. »Wir haben einen der beiden Männer gefasst, die Sie überfallen haben. Wir sind gekommen, um Sie zu bitten, ihn zu identifizieren.«
     
    Chan Bings Englisch war holprig, aber man konnte ihn verstehen.
     
    »Ich habe doch nichts gesehen.«
     
    »Man sieht immer mehr, als man glaubt.«
     
    »Sie waren nicht vor mir. Ich habe im Nacken keine Augen.« Chan Bing betrachtete sie ausdruckslos. »Doch, das hat man. In gespannten, gefährlichen Situationen kann man auch mit dem Nacken sehen.«
     
    »Das kann man vielleicht in China. Nicht in Schweden. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Menschen verurteilt, weil jemand mit Hilfe von Augen im Nacken ihn als Täter identifiziert hat.«
     
    »Es gibt andere Zeugen. Nicht nur Sie sollen den Täter identifizieren. Es gibt auch Zeugen, die Sie identifizieren sollen.« Birgitta Roslin blickte flehend zu Hong hinüber, die jedoch einen Punkt irgendwo über ihrem Kopf betrachtete. »Ich muss nach Hause fliegen«, sagte Birgitta Roslin. »In zwei Stunden werden meine Freundin und ich das Hotel verlassen und zum Flugplatz hinausfahren. Ich habe meine Tasche zurückbekommen. Die Hilfe, die mir seitens der Polizei zuteil geworden ist, war ausgezeichnet. Ich könnte mir vorstellen, einen Artikel für eine schwedische Juristenzeitung zu schreiben und darin über meine Erfahrungen hier und meine Dankbarkeit zu berichten. Aber ich werde keinen mutmaßlichen Täter identifizieren können.«
     
    »Unser Hilfsbegehren ist keineswegs unbillig. Nach den Gesetzen dieses Landes sind Sie verpflichtet, sich der Polizei zur Verfügung zu stellen, wenn es um die Aufklärung eines schweren Verbrechens geht.«
     
    »Aber ich will doch nach Hause fliegen. Wie lange dauert es?«
     
    »Kaum mehr als vierundzwanzig Stunden.«
     
    »Das geht nicht.«
     
    Hong war von hinten an Birgitta herangetreten, ohne dass diese es bemerkt hatte. »Wir sind Ihnen natürlich bei der Umbuchung Ihre Fluges behilflich«, sagte sie.
     
    Birgitta Roslin schlug mit der Handfläche auf den Tisch. »Ich will heute nach Hause fliegen. Ich weigere mich, meine Reise um einen ganzen Tag zu verlängern.«
     
    »Chan Bing ist ein hoher Polizeichef. Was er sagt, gilt. Er kann Sie hier im Lande festhalten.«
     
    »Dann verlange ich, mit meiner Botschaft zu telefonieren.« 
    »Natürlich.«
     
    Hong legte ein Mobiltelefon und einen Zettel mit einer Telefonnummer vor sie hin. »Die Botschaft

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