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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Schließlich schien mir der Spatel am sinnvollsten zu sein, denn man kann ihn für vielerlei verwenden, sogar zum Kauterisieren.«
    »Kauterisieren? Was bedeutet das?«, fragte Haff.
    Als er erfuhr, dass damit das Ausbrennen von Wunden bezeichnet wurde, steigerte sich sein Interesse. Immerhin handelte es sich um ein Werkzeug, das man zum Glühen brachte. »Die Arbeit reizt mich, denn die Stahlqualität der drei Instrumente muss durchaus unterschiedlich sein: Für das Skalpell brauchst du einfach nur einen sehr harten Stahl, bei der Pinzette dagegen muss das Material gut federn, der Spatel schließlich verlangt eine Legierung, die hoch erhitzbar ist, ohne dass sie zerfließt.«
    »Heißt das, du machst mir die Instrumente?« Vitus’ Augen leuchteten.
    »Natürlich mache ich sie dir. Vorausgesetzt, ich bringe es fertig. Die Arbeit wird in vielem der Schmiedearbeit eines Schwerts ähneln.«
    »Eines Schwerts?«
    »Ein gutes Schwert muss die unterschiedlichsten Eigenschaften in sich vereinen. Es muss gleichzeitig hart, weich, biegsam und zäh sein.«
    »Aber das geht doch gar nicht!«, platzte der Magister, der bislang schweigend zugehört hatte, heraus.
    Haff lächelte. »Doch, das geht. Man muss nur verschiedene Stähle nehmen. Genauso wie für deine Instrumente, Vitus. Wenn ihr wollt, erkläre ich euch das Schmieden einer Klinge näher, drüben in meiner Werkstatt.«
    »Das interessiert mich«, sagte Vitus.
    »Mich auch.« Der Magister blinzelte erwartungsfroh.
    »Wui, wui!«
    »Ich käme auch gern mit«, sagte Hewitt bescheiden.
    Wenig später hielt ihnen der Alte einen armlangen, eckigen Stahlstab im Schein des Schmiedefeuers hin. »Das ist schon fast ein gutes Schwert«, sagte er und lächelte geheimnisvoll. »Wenn ihr gestattet, hole ich etwas weiter aus: Ich sagte vorhin, eine gute Klinge muss gleichzeitig hart, weich, biegsam und zäh sein. Hart muss sie sein an Schneide und Rücken, damit sie insgesamt stabil ist. Der Kern muss ebenfalls extrem hart sein. Um ihn herum braucht man einen weicheren Mantel, der die Schlagerschütterungen abfängt. Darum wieder legt man eine Schicht Stahl von mittlerer Härte, und so weiter. Ihr seht, ein Schwert ist ein Gebilde, das an jeder Stelle von vielen Schichten Stahl durchzogen ist.«
    Der Magister studierte den Stab, den Haff hatte herumgehen lassen. »Und die ganzen von dir erwähnten Schichten stecken hier schon drin?«
    »Ja. Es sind sehr, sehr viele. Beginnen tue ich meistens mit sieben. Die einen bestehen aus kohlenstoffreichem Eisen, das weicher ist, die anderen aus kohlenstoffärmerem, das ich Stahl nenne. Die sieben Schichten kommen abwechselnd übereinander, also Eisen – Stahl – Eisen – Stahl – Eisen – Stahl – Eisen. Ich verbinde sie durch die Technik des Feuerschweißens und schmiede sie aus. Das heißt, sie werden beim Zusammenhämmern flacher und flacher und dehnen sich entsprechend – wie ein Teig, der ausgerollt wird. Ist eine bestimmte Stärke erreicht, biegt man den Stahl um, so dass man vierzehn Schichten übereinander hat. Auch diese werden wieder ausgeschmiedet.«
    Vitus fragte: »Kann man das Verdoppeln der Schichten beliebig oft wiederholen?«
    »Das ist eine Frage, die ich mir selbst schon häufig gestellt habe. Ich glaube, theoretisch ja. In der Praxis nein, schon deshalb, weil die Klinge dann niemals fertig würde!« Haff nahm den Stahlstab zurück. »Es ist das Geheimnis eines jeden Schmieds, wie viele Schichten er seiner Klinge mitgibt. Nur so viel: Je größer die Anzahl, desto härter und geschmeidiger der Stahl. Ebenso ist es ein Geheimnis, wie es gelingt, Schneide und Rücken extrem widerstandsfähig zu machen. Die ausgeschmiedeten Schichten werden anschließend ausgereckt, wie wir es nennen, und dann sehen sie aus wie dieser Stab …«
    »… aus dem du jetzt eine Klinge schmieden könntest?«, unterbrach der wissensdurstige Magister.
    »Ja. Aber stell dir das nicht zu einfach vor. Etliche Handgriffe davor und danach sind dazu noch nötig. Ich selbst habe mich der Herstellung von Schweißdamast verschrieben, besser bekannt als Damaszenerstahl. Das ist Stahl, der durch die gemusterte Oberfläche seine inneren Schichten widerspiegelt. Die Echtheit von Damast erkennt man daran, dass sich das Oberflächenmuster im Inneren des Stahls fortsetzt.«
    Hewitt sagte bewundernd: »Damaszenerstahl soll der härteste der Welt sein.«
    »Und der schönste«, nickte Haff. »Die Zahl der Muster ist unendlich, und jedes Stück ist ein

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