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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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deshalb habe ich ihnen versprochen, es zu versuchen, obwohl ich nicht sicher bin, dass ich es fertig bringe.«
    Der Alte trat an den Glockenkörper heran und wies auf einen Spalt am unteren Rand. »Hier ist der Schaden. Übrigens, kann mir einer sagen, was die Aufschrift bedeutet?«
    Auf der Glocke stand:
    FULGURA FRANGO  –
    TONITENA REPELLO
    Vitus wischte den Staub von der Schrift, um sie besser lesen zu können, dann sagte er: »Es ist Lateinisch und bedeutet: Blitze breche ich – Donner stoße ich zurück.«
    »Aha«, sagte Haff nachdenklich. »Könnte mir denken, dass ihnen das irgendjemand übersetzt hat. Klar, dass der Satz wichtig für sie ist. Na, ich will mein Bestes tun, die Glocke heil zu kriegen.«
    Er führte sie weiter durch seine Werkstatt, zeigte ihnen noch dies und das, und es dauerte eine geraume Weile, bis die Freunde alles gesehen hatten.
    Ganz zuletzt, als sie sich anschickten, die Schmiede zu verlassen, stellte Phoebe lakonisch fest:
    »Un hier kochste also, wennde kochst.«
     
    Es dauerte über eine Woche, bis Vitus und seine Freunde wieder halbwegs bei Kräften waren. Haff war ein aufmerksamer Gastgeber. Wenn er nicht gerade in seiner Werkstatt arbeitete oder mit Tom für einige Stunden im Wald verschwand, tat er alles, um gut für sie zu sorgen.
    Am Tage nach ihrer Ankunft hatte Vitus ihn nach einem Mittel zur Behandlung ihrer rauen Lippen und Hautgeschwüre gefragt, und Haff war am darauf folgenden Morgen mit einer bauchigen Flasche in der Hand auf ihn zugetreten.
    »Was ist das?«, hatte Vitus gefragt.
    »Eine Flasche mit verdünnter Sepia.«
    »Sepia?« Vitus hatte noch niemals von einem solchen Stoff gehört.
    »Bin in der Nacht bei ihnen gewesen und hab sie gefragt, was man gegen schlechte Haut tun kann. Da haben sie mir Sepia gegeben. Es ist die Absonderung vom Tintenfisch. Eine geheime Medizin, die sie von den Indianern kennen. Diese Sepia wurde stark verdünnt und mit Waldhonig angereichert. Sie sagen, es gäbe nichts Besseres. Jeder von euch solle pro Tag dreimal einen kleinen Schluck nehmen. Nach kurzer Zeit wären die Hautbeschwerden weg. Nebenbei würde das Mittel sehr kräftigend wirken.«
    Es hatte Vitus und seine Freunde einige Überwindung gekostet, die Absonderung zu trinken, stammte sie doch von einem Kraken – von einer Spezies also, mit der sie die schlimmsten Erinnerungen verknüpften.
    Wie um sie dafür zu entschädigen, hatte das Mittel alle Erwartungen übertroffen. Fast über Nacht waren sämtliche befallenen Hautpartien abgeheilt, und Phoebe hatte festgestellt: »’s is ’n gutes Zeugs, alles, was recht is, gut isses.«
     
    Eines Tages, Vitus machte bereits Pläne für ihre Weiterreise, kam ihm eine Idee. Er befand sich in Haffs Werkstatt, wo der Alte damit beschäftigt war, verschiedene Roheisen aus den Ecken zu holen, um sie auf Härte und Biegsamkeit zu überprüfen. Tom lag derweil gähnend vor dem Löschtrog.
    »Sag mal, Haff«, begann Vitus, »du weißt ja, dass ich Arzt bin. Allerdings einer, dem zurzeit ziemlich die Flügel gestutzt sind. Ich meine, ich habe keine Instrumente. Das ist ungefähr so, wie wenn dir zum Schmieden der Amboss fehlte.«
    Der Alte hob die Brauen, dann wandte er sich an den Hund. »Kaum auszudenken, was, Tom, alter Junge?«
    »Nicht wahr. Um es freiheraus zu sagen: Ich wollte dich bitten, ob du mir zwei oder drei Instrumente machen könntest?«
    »Instrumente? So etwas Kleines habe ich noch nie geschmiedet.«
    »Ich bin überzeugt, dass du es kannst, wenn ich dir nur genau aufzeichne, wie sie auszusehen haben.«
    »Wie willst du das denn anstellen?«
    »Ganz einfach. Du hast doch das Bordbuch nebst Tinte und Feder aus dem Schapp der
Albatross
geborgen. Damit werde ich dir genaue Skizzen anfertigen.«
    »Tja, ich weiß nicht.« Haff rieb sich zweifelnd das Kinn. »Aber ich sage nicht nein. Mach erst mal deine Zeichnungen, dann sehen wir weiter.«
     
    Noch am selben Abend hatte Vitus die Zeichnungen fertig. Er saß mit den anderen im großen Schlafraum und sagte: »Sieh mal, Haff, ich habe drei Instrumente skizziert. Es sind ein Skalpell, eine Pinzette und ein Spatel. Für das Skalpell habe ich eine geballte Spitze vorgesehen, die Pinzette soll mittelgroß und spitz zulaufend sein und der Spatel flach, schmal und nicht zu klein. Ich habe hin und her überlegt, um welche Instrumente ich dich bitten soll. Beim Skalpell und der Pinzette fiel mir der Entschluss leicht, aber über das dritte Werkzeug habe ich lange nachgedacht.

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