Der Chirurg von Campodios
antwortete: »›Azoth‹ ist das Wort, das auf dem Schwert des berühmten Arztes Paracelsus eingraviert war.«
»Ach?« machte Haff. Man sah ihm an, dass er weder mit dem Wort Azoth noch mit dem Namen Paracelsus etwas anzufangen wusste. »War das Schwert aus Damaszenerstahl?«, fragte er dann.
»Das vermag ich nicht zu sagen. Paracelsus jedenfalls war ein Arzt und Kräuterkundiger, dem die Wissenschaft viel zu verdanken hat. Und Azoth ist das Wort, das als Geheimbezeichnung so viel wie ›göttliche Urkraft‹ bedeutet. Es wird mitunter auch verwandt für den
Lapis mineralibus
, den Stein der Weisen, und für die Formkraft des Äthers.«
»Soso«, brummte der Alte. »Das sagt mir, ehrlich gesagt, alles nicht viel. Hauptsache, die Stücke sind gut gelungen und sie können dir bei deiner Arbeit helfen.«
»Das können sie gewiss.«
Haff schritt, sich immer wieder umblickend, an den Ställen vorbei zur Vorratskammer hinüber. Vor der Tür verhielt er und senkte unwillkürlich die Stimme: »Phoebe, bist du da?«
Wie erhofft, erhielt er keine Antwort. Er atmete tief durch und betrat den Raum. Seit Vitus mit seinen Freunden bei ihm zu Gast war, hatten seine Nahrungsreserven sich um einiges gelichtet. Die Folge davon war, dass Phoebe über viel mehr Platz verfügte als am Tage ihrer Ankunft.
Haff war so aufgeregt, dass er zunächst nicht das fand, was er suchte. »Wo sind sie nur, wo sind sie nur, ich hatte sie doch hier … oder war es da …«, flüsterte er ein ums andere Mal. Endlich hatte er sie gefunden; sie steckten seitlich in seinem Gürtel: ein paar Blumen, deren farbenprächtige Blüten bereits einen arg zerdrückten Eindruck machten. Haff bemerkte es nicht. Seine großen Hände mit den starken Fingern, die beim Schmieden selbst die feinsten Metallteile mit außerordentlicher Geschicklichkeit anzufassen wussten, versuchten vergeblich, die Stängel zu einem Strauß zu ordnen.
Er seufzte und wollte das Ergebnis seiner Bemühungen gerade auf das Kopfende von Phoebes Lager legen, da erscholl zu seinem Schrecken eine Stimme hinter ihm:
»Was machste ’n da, Haff? Is was oder wassis?«
»Äh … nein, hmja.« Der Alte schwitzte Blut und Wasser, während er den Blumenstrauß hastig unter seiner Kleidung verschwinden ließ. Ihn persönlich zu übergeben, brachte er nicht den Mut auf. Er musste ein anderes Mal wiederkommen. »Ich wollte nur mal nach dir sehen, wollte wissen, wie du untergebracht bist.«
»Aber ’s weißte doch, Haff. ’s Kabuff haste mir doch selbst verpasst.«
»Ja, schon. Aber es ist inzwischen ja viel mehr Platz hier drin, weil du und deine Freunde …« Er brach unvermittelt ab. Er hatte sagen wollen »weil du und deine Freunde schon so viel Vorräte aufgebraucht habt«, aber das hätte geklungen, als wäre ihm das nicht recht, und das Gegenteil war der Fall.
Phoebe half nach: »Weil ich un meine Freunde …?«
»Tja, hmm, äääh … Es ist wirklich schön viel Platz jetzt hier für dich.« Verzweifelt blickte Haff auf die Utensilien, die sich wie von selbst neben Phoebes Lager angesammelt hatten und davon zeugten, dass eine junge Frau den Raum bewohnte. Eine Kiste war darunter, darin ein grobes Kleid, das Phoebe sich aus einem gefundenen Stoff selbst geschneidert hatte, ein metallisches Tablett, dessen blank geputzter Boden ihr als Spiegel diente, eine halb abgebrannte Kerze, dazu Flintstein und Stahl, um sie zu entzünden.
Phoebe, die den Blicken Haffs gefolgt war, nickte. »’s stimmt, Haff, ’s is viel Platz hier, na ja, jedenfalls genuch. Un was willste nu?«
Haff stand da und ließ die Schultern hängen. Tausend Gedanken kreisten in seinem Kopf, und keiner davon, das spürte er, hatte Hand und Fuß. Endlich stammelte er. »Bin’s nicht gewohnt zu reden … äh, ich meine, tja, also, was ich sagen wollte, ich bin’s nicht gewohnt, mit Frauen zu reden, seit meine …«
»Seit deine Frau tot is, nich, Haff? Das isses, wasde sagen wolltest, nich?«
Der Alte nickte stumm.
»Nu komm.« Wie selbstverständlich drückte sie ihn aufs Lager und setzte sich neben ihn. »Erzähl schon. Phoebe hört zu, und wenn’s bis zum Sankt-Nimmerleins-Tach dauert.«
Haffs Lippen bewegten sich, doch er brachte keinen Laut hervor.
Abermals half Phoebe nach: »Wie lange isses denn her?«
»Elf Jahre.« Haffs Stimme war nur ein Flüstern.
»Elf Jahre«, wiederholte Phoebe. »Das is ’ne verdammich lange Zeit. Wennde se nich vergessen kannst, musste se mächtich geliebt
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