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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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ham.«
    »Das habe ich. Sie war die Frau meines Lebens, mein Ein und Alles.« Haffs Ton wurde fester. »Sie war mein Augenstern. Eine Tekesta-Squaw, die das Schicksal genau wie mich nach Habana verschlagen hatte.«
    »Un wie hieß sie?«, fragte Phoebe teilnahmsvoll.
    »Sika.« Haff fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Seit damals … seit damals habe ich ihren Namen nicht mehr ausgesprochen.«
    Phoebe drückte seinen Arm.
    »Habana jedenfalls, diese laute, unruhige Hafenstadt, war auf die Dauer nichts für uns. Das spürten wir beide. Vielleicht war das auch der Grund, warum wir uns auf Anhieb verstanden, obwohl sich keiner in der Sprache des anderen ausdrücken konnte.«
    »Hm, ’s kannich verstehn. Trubel un so is nix für jeden.«
    »Damit du dir kein falsches Bild machst: Sika war eine starke Frau, nicht schön im eigentlichen Sinne, ihre Schönheit kam mehr von innen; sie war aufrecht und ruhig und immer an meiner Seite, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Versteh ich, Haff, versteh ich.«
    »Sie konnte arbeiten für zwei und hatte dabei doch immer ein Lächeln für mich übrig. Ich wusste, ich konnte an jeden Punkt der Welt gehen, und sie würde mir folgen. Sie und ich, wir würden gemeinsam ein neues Leben aufbauen können.«
    »’s muss schön sein, so ’n Gefühl, schön musses sein.«
    »Ich entschied mich für diesen Küstenstreifen zwischen Nombre de Dios und Puerto Bello, weil ich mir erhoffte, aus beiden Städten Abnehmer für meine Klingen zu bekommen. Mein Plan ging auf, obwohl die erste Zeit sehr hart war. Das Roden der Bäume, das Bauen des Hauses, das Einrichten der Schmiede, das alles kostete unendlich viel Kraft und Mühe, doch ich schaffte es, denn Sika war an meiner Seite, und mit ihr war immer dieses gute, verlässliche Lächeln.
    Meine ersten hier geschmiedeten Klingen verkaufte ich ungefähr ein Jahr nach unserer Ankunft. Sie gingen in den Besitz einiger englischer Piraten über, die mit ihrer Galeone vor der Küste ankerten. Kurz darauf wurde unsere Tochter geboren, ich nannte sie Sika, nach ihrer wundervollen Mutter.«
    »’s muss schön sein, so ’n Töchterchen zu haben.«
    »Ja, ich war damals der glücklichste Mann auf Gottes Erdboden. Alles, was ich anfasste, gelang mir. Mittlerweile kamen immer häufiger Männer aus Nombre de Dios und Puerto Bello, um meine Klingen zu erwerben. Ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben so etwas wie Besitz. Und ich hatte Sika mit ihrem Lächeln und meine kleine Tochter. Dann, ein weiteres Jahr später, kam John, unser Sohn, zur Welt. Ich nannte ihn nach meinem Vater, und er war auf seine Art genauso wohlgeraten. Drei Wochen danach, ja danach …« Haffs Stimme erstarb.
    Phoebe legte ihm den Arm um die Schultern. »Dann isses passiert, nich? Brauchst nich drüber reden, wennde nich willst.«
    »Doch, ich will. Hab’s dir selbst einmal gesagt, dass reden gut tut, weißt du noch?«
    »Klar weissich’s noch.«
    »Danach …« Haff gab sich einen Ruck. »Danach kamen sie. Es war an einem Abend, die Dunkelheit war bereits herein gebrochen. Ein Haufen Piraten. Männer aus vielen Nationen. Spanier, Franzosen, Engländer. Sie überfielen mein Haus. Sika, die Kinder und ich saßen im großen Raum und ahnten nichts Böses. Wir waren bis dahin noch niemals überfallen worden. Plötzlich waren sie über uns, grölend und betrunken. Es ging alles blitzschnell. Ein Schlag auf den Schädel nahm mir die Sinne. Als ich wieder erwachte, war alles vorbei. Rauchschwaden bissen mir in die Augen und nahmen mir den Atem. Die Mörderbande hatte mein Haus angezündet, aber es war gottlob nicht in Flammen aufgegangen. Die Holzstämme waren noch zu feucht gewesen. Als ich wieder einigermaßen sehen konnte, machte ich neben mir eine grauenvolle Entdeckung. Es waren die Leichen meiner Kinder. Sie hatten ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Stell dir vor: unschuldigen Kindern die Kehle durchzuschneiden, einfach so …« Haff schlug die Hände vors Gesicht.
    »’s muss furchtbar gewesen sein.« Phoebe begann Haffs Oberkörper in ihren Armen zu wiegen.
    »Sie hatten alles verwüstet, auch die Schmiede, wo sie die schönsten Klingen mitgehen ließen. Aber das kümmerte mich nicht. Der Schmerz über den Tod meiner Familie löschte alle anderen Empfindungen aus. Wenn Ktiko, ein alter Cimarron-Häuptling, nicht gewesen wäre, gäb’s mich heute nicht mehr. Er war es, der mir tage- und nächtelang zuhörte und mir immer wieder Trost zusprach. Das Reden mit ihm ließ

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