Der Chirurg von Campodios
lächelte müde. »Darauf, wie viel der Eigner für die Behandlung ausgeben kann. Es gibt teure und weniger teure Schiffsbodenpaste. Natürlich ist die teure besser.«
»Aha. Nun, besonders teuer sieht mir das Zeug, das dort bei dem Schiff verwendet wird, nicht gerade aus, aber mein Augenlicht ist auch nicht sonderlich gut.«
»Vielleicht kann ich es Euch genauer sagen. Wartet einen Augenblick«, gab der Hagere hilfsbereit zurück, während er die Schaufel fortlegte und über eine Leiter nach oben kletterte. Er musste dabei wiederholt Luft schöpfen.
Vitus fragte besorgt: »Ist dir nicht wohl?«
»Doch, doch, Señor.« Der Hagere atmete mühsam. »Der Segler dort, es ist die
Gracias a Dios
, dürfte mit einer Mischung aus Pech, Holzkohle und Schwefel …« Er unterbrach sich und fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Verzeiht … Teurere Paste enthält dazu gehackte Rinder- oder Rosshaare und gestoßenes Glas. Wenn der Schiffsrumpf behandelt ist, kann noch eine geteerte Segeltuchplane darüber gezogen wer …«
Mit diesen Worten brach der Hagere so plötzlich zusammen, dass niemand der Freunde ihn mehr auffangen konnte. Vitus kniete sofort neben ihm nieder und schob ihm Haffs Fellsack unter den Kopf. Dann begann er ihn zu untersuchen. Kurz danach blickte er auf. »Der Mann glüht am ganzen Körper, was sicher nicht nur an der Mittagshitze liegt. Es ist zum Verzweifeln: Wo wir auch hingehen, das Fieber holt uns ein.«
Der Hagere röchelte unterdessen schwach. Dann, unvermittelt, nahm er den Kopf zur Seite und erbrach eine gelbliche Masse. Vitus überlegte laut: »Der Mann braucht Hilfe, schnelle Hilfe sogar. Am besten wäre er in einem Spital aufgehoben.« Er zog mit den Fingern ein Augenlid hoch, um die Pupille zu prüfen und das Weiße auf Gelbverfärbung zu untersuchen, als plötzlich ein großer Schatten über ihn und den Kranken fiel. Der Schatten wurde von einem Pferdekarren verursacht, der dicht neben ihm zum Stehen gebracht worden war. Davor stand eine seltsame Erscheinung: Der Mann war von unbestimmbarem Alter, keineswegs hässlich, wenn auch mit weichen Zügen. Er hatte starke Brauen, eine gerade, leicht nach oben gebogene Nase und volle Lippen von jener Art, die den Genießer nicht verhehlen kann.
Er trug ein blaues Wams, besetzt mit golden blinkenden Sternzeichen und schillernden Steinen, dazu ein bauschig ausgestelltes Beinkleid von violetter Farbe. Der breitkrempige Hut, den eine weiße Kakadufeder schmückte, nahm die Farbe der Hose wieder auf. Das Bemerkenswerteste an ihm jedoch war seine Figur. Selten hatte Vitus einen Mann mit so schmalen Schultern und so ausladendem Gesäß gesehen. Sein Körper erinnerte an die Form einer Kalebasse.
»Der Mann,
mon ami
, kann kommen mit zu mir«, sagte der Fremde. Er sprach mit metallischer Stimme und starkem französischem Akzent. »Ich ihn kenne. Jaime Hoyelos er wird gerufen.«
Vitus richtete sich auf. »Das ist sehr liebenswürdig von Euch, Sir. Darf ich fragen, ob Ihr in der Behandlung von Fieberkranken Erfahrung habt?«
»Aaah!
L’Anglais!
Ihr Burschen wollt immer alles, ähhh, genau wissen,
n’est-ce pas
?« Der Fremde riss die Augen auf. Sie hatten die Farbe von Sandelholz. »Nun, Monsieur, ich verstehe etwas von Fieber, ich selbst es habe gehabt. Genügt das?«
»Natürlich, ich bin Euch sehr verbunden. Erlaubt, dass ich mich vorstelle.« Vitus nannte seinen und die Namen seiner Freunde.
»
Enchanté.
Ich bin Achille aus Paris. Der ›kuriose‹ Achille, wie man sagt.«
»Sehr angenehm. Seid Ihr einverstanden, den Kranken jetzt auf den Wagen zu heben? Es wird höchste Zeit, dass er an einen kühlen Ort kommt.«
»Ahhh,
mon ami
, nicht so stürmisch. Erst ich muss rücken meine Schätzchen beseite. He, Pedro, fass mit an!«
»Ja doch, ja.«
Mit Hilfe Pedros, eines ungefähr zwölfjährigen Jungen, dem der Karren gehörte, begann Achille zwei melonengroße Edelsteinbrocken vorsichtig beiseite zu schieben. Die Steine waren in schwere Tücher geschlagen, doch der eine von ihnen lag teilweise frei und blitzte so hell in der Sonne, dass es in den Augen wehtat.
»Bei der Keuschheit aller Päpste!« Der Magister, der mit Vitus bereits den hageren Körper des Kranken angehoben hatte, wäre fast ins Straucheln gekommen. »Das schimmert ja in allen Regenbogenfarben! Was sind das für Pretiosen?«
»Schschhhh! Nicht so laut,
mon ami!
Gleich die ganze Werft weiß, was ich transportiere. Es sind Amethystdrusen aus Brasilia, sauber präpariert,
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