Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
hast.«
    »Der Rest ist schnell erzählt. O’Tuft steuerte mit seiner Pinasse Kurs Nombre de Dios, und bevor er die Hafenstadt erreichte, setzte er mich hier bei den Cimarrones ab. Damals lebte Ktiko noch. Er kümmerte sich von Anfang an um mich, brachte mir alles bei, was man als Cimarron wissen muss, vor allem aber die spanische Sprache. Ich mochte sie von Anfang an nicht, weil ich mit ihr Mörder und Diebe verband, aber ich erkannte, dass ich sie lernen musste. Ich brauchte keine drei Monate dazu. Um die Jahreswende starb Ktiko, doch bevor er zu seinen Ahnen ging, empfahl er dem Rat mich als seinen Nachfolger, und seitdem führe ich sie. Die Götter mögen geben, dass wir eine gute Zukunft haben.«
    »Ich wünsche es euch von Herzen«, sagte Vitus. »Doch erlaube, dass ich noch einmal auf Arlette zurückkomme. Stimmt es, dass du sie zuletzt im August vergangenen Jahres gesehen hast?«
    »Ja. Genau genommen war es in einer Festung, deren Namen ich nicht mehr genau erinnere, sie hieß ›Castillo Fuerza‹ oder so ähnlich. Es war die Festung des Gouverneurs.«
    »Und wurde sie dort in den Kerker gesperrt?«
    »Ja. Ich habe noch vor Augen, wie sie sich verbissen gegen die groben Griffe der Wachsoldaten wehrte. Aber es war natürlich umsonst.«
    »Demnach könnte man sie in der Festung noch gefangen halten?«
    »Durchaus möglich. Ich weiß es nicht. Vielleicht hat man sie in der Zwischenzeit auch laufen lassen. Ich werde nie aus den goldgierigen Seelen der Dons schlau werden.«
    »Ich danke dir, Okumba.« Vitus’ Augen leuchteten, während er sich rasch erhob. »Du hattest gute Nachrichten für mich. Sehr gute Nachrichten sogar. Ohne dich wäre ich vergebens nach Roanoke Island gefahren. Doch nun heißt mein Ziel Habana. Der Allmächtige gebe, dass Arlette noch dort ist und lebt! Ich möchte so schnell wie möglich aufbrechen.«
    »Setz dich erst noch mal.« Der Riese zog Vitus wieder hinunter. »Lass dir sagen, dass O’Tuft in den nächsten Tagen wieder vor unserer Küste ankern wird. Er soll einige von Haffs Klingen für uns in Habana veräußern und dafür Musketen kaufen. Wir brauchen Schusswaffen, wenn wir uns auf Dauer gegen die Spanier behaupten wollen. Ich denke, Moses wird euch zur Küste begleiten.«
    Vitus sprang erneut auf, diesmal vor Freude. »Du bist ein wahrer Freund, Okumba! Wir reisen morgen in aller Frühe, wenn du erlaubst. Nicht auszudenken, wenn wir O’Tuft verpassten! Und Moses, sagst du, soll uns begleiten?«
    »Genau der, mein Freund.«
    Im ersten Dämmerlicht des nächsten Tages gingen Vitus und seine Freunde über den Dorfplatz hinüber zu Okumbas Haus. Enano sprang neugierig vor, äugte durch den Vorhang und fistelte: »Ob der Oberschwarzmann schon äuf is? ’s is noch recht schummig!«
    »Er ist es, Zwerg.« Okumba, der die Worte des Winzlings gehört hatte, trat überraschend hinter dem Haus hervor, in seiner Begleitung den sprachgewandten Moses. »Ich habe euch noch etwas Wegzehrung zubereiten lassen.« Er deutete auf ein Blätterpaket, das Moses in den Händen hielt. »Es marschiert sich schlecht mit leerem Magen.«
    Vitus, der sich vorgenommen hatte, dem Häuptling noch einmal in wohlgesetzter Rede für alles zu danken, fehlten die Worte. »Ich … danke. Danke, Okumba!«
    Der riesige Schwarze lächelte. »Es ist schade, dass ihr uns verlassen müsst, Vitus. Aber da euer Fortgehen beschlossene Sache ist, nimm auch noch dies.« Er übergab ein kleines Behältnis aus dem Kehlsack des Pfauentruthahns. »Ein paar Silberpesos und Reales für Habana. Ihr werdet sie brauchen.«
    »Das … das ist nun wirklich zu viel!«, stotterte Vitus.
    »Das ist es nicht. Nanu …« Okumba blickte erstaunt, denn zu der allmählich größer werdenden Abschiedsgruppe war Dongo, der
Houngan
, getreten. »Ich dachte, du wolltest heute Morgen mit einigen Kriegern zu Haff, dem Schmied?«
    »Ich wollen zu Haff. Haff Waren bringen und kucken gut gehen«, nickte Dongo würdevoll. »Vorher sagen Hasta la vista Vitus und Freunde.« Er verbeugte sich gemessen, und seine harten Augen wurden für einen Augenblick weicher. »Ich haben Geschenk. Hier.«
    Vitus nahm ein verschnürtes, zu einem Päckchen gefaltetes Bananenblatt entgegen. Es war federleicht. »Was ist das?«
    »Du öffnen.«
    Vitus machte das Päckchen auf. »Es sind Blätter darin, viele trockene Blätter!«
    »Sind Kokablätter. Du kauen mit Asche. Gut für Rausch. Gut gegen Schmerz. Medizin von
Houngan
für Medizinmann Vitus. Viel Glück!«

Weitere Kostenlose Bücher