Der Chirurg von Campodios
in Couleur violett, meiner Lieblingsfarbe.«
»Wui, wui, die Glitterklunker täten mir gut stehn!«, meldete sich der Zwerg. Sein Fischmündchen stülpte sich anerkennend vor.
»Oui, oui?«
Achille schien hocherfreut.
»Parlez-vous français, mon ami?«
»Wiewas, Franzmann?« Enano, der jeden Satz mit »wui, wui« begann, ahnte nicht, dass er damit regelmäßig »ja, ja« auf Französisch sagte.
Der Magister schob ein: »Achille will wissen, ob du Französisch verstehst.«
Der Wicht schielte treuherzig nach oben. »Nee, tu ich nich. Wiewo holmt der Franzmann das?«
»Schade, schade,
mes amis!
Ich höre gern, ähhh, heimische Töne.
Alors, allons-nous …!
« Auf Achilles Kommando hin hoben sie gemeinsam Jaime auf den Karren und deckten ihn sorgfältig mit einer Plane zu. »
Voilà
. Ich bin Euch, ähhh, sehr verbunden, Messieurs.«
Vitus hob grüßend die Hand. »Auf Wiedersehen, Achille. Und vielen Dank für Eure Hilfe.«
»Aaah, nicht der Rede wert. Vielleicht Ihr wollt ihn mal besuchen? Kein Problem!«
»Ja, sehr gern. Allerdings müssen wir erst eine Bleibe für die Nacht finden.«
»Aaah, eine Bleibe? Auch kein Problem! Man geht geradeaus, direkt in die Calle de los Oficios,
compris
?« Achille zeigte mit seinem gepflegten Finger in nördliche Richtung. »Die Calle de los Oficios weiter, weiter, immer weiter,
compris
, bis man kommt zu eine Etablissement mit Namen L’Escargot, dann in die Gasse rechts zur Albergue Pescador. Albergue Pescador,
compris
? Gut und billig. Man nur muss aufpassen, wenn Wirt die Rechnung macht,
oui
?«
Der Magister deutete eine Verbeugung an. »Danke, Achille, Ihr habt uns sehr geholfen. Vielleicht besuchen wir Euch tatsächlich einmal.«
Achille gab Pedro das Zeichen anzufahren. »Aaah, das würde mir sein eine Ehre. Ihr habt es nicht weit. Ich besitze L’Escargot. Kommt, wann ihr wollt, Messieurs.«
Vitus lächelte. »Wir kommen heute Abend, wenn es Euch recht ist, Jaimes Fieber interessiert mich. Aber sagt: Was heißt ›L’Escargot‹ eigentlich? Ich fürchte, meine Französischkenntnisse reichen da nicht aus.«
»L’Escargot?« Achille, der schon neben Pedro aufgesessen war, kicherte. »Wenn Ihr geht hinein, Messieurs, Ihr werdet wissen, warum.
Au revoir!
«
Die Calle de los Oficios war eine Straße, in der, bis auf die frühen Morgenstunden, ständig betriebsames Leben herrschte. Besonders gegen Abend, wenn die Matrosen von den Schiffen kamen, setzte ungeheurer Trubel ein. Händler schrien die Vorzüge ihrer Waren hinaus, Handwerker boten vielsprachig ihre Produkte feil, spielende Musikanten schoben sich durchs Gedränge und versuchten, sich ein paar Maravedis zu verdienen. Schreiber saßen an kleinen Tischen, auf denen sorgsam ausgerichtet Tinte, Feder und Papier lagen. Tavernen luden ein, Bordelle lockten, schlanke, glutäugige Mädchen flanierten vorbei, eifrig tuschelnd und gleichzeitig darauf bedacht, dass die Männerwelt sie beachtete. Garküchen verkauften Maisfladen, Taschendiebe waren am Werk, Hunde streunten, Kinder plärrten, Bettler streckten die Hände nach Almosen aus … und inmitten dieses Schmelztiegels aus Leibern, Gerüchen und Geräuschen lag L’Escargot, das Etablissement von Achille.
»Besonders beeindruckend finde ich den Eingang nicht, Freunde!« Der kleine Gelehrte musste fast schreien, um sich verständlich zu machen. »Ich sehe nur schiefe Lettern über einem großen schwarzen Loch. Sollen wir hineingehen?«
»Ja, geh nur voran.« Vitus schob Hewitt und Enano vor und betrat dann selbst die enge Öffnung. Drinnen herrschte Dämmerlicht, nur an der rechten Seite des Gangs tauchte dann und wann ein Öllämpchen auf. Der Weg führte in kreisförmigem Bogen ständig nach links. Mit jedem Schritt nahm der Lärm von draußen ab.
»Beim Blute Christi!«, schrie der kleine Gelehrte plötzlich. »Nun seht euch das an!« Er deutete auf ein Skelett, das, durch Stangen und Ösen gehalten, am Rande des Gangs von einem Kerzenleuchter angestrahlt wurde. Es war ein Skelett, wie es noch keiner der Freunde je zuvor gesehen hatte. Es war klein, kaum anderthalb Fuß hoch; es hatte zwei Beine, und es hatte – zwei Köpfe.
»Wui, wui, zwei Spazierer un den Kürbis gleich doppelt, ’s is gediegen, bei der heiligen Marie!« Der Zwerg hüstelte aufgeregt. Er, der selbst einen Buckel hatte, interessierte sich für alles, was körperlich aus der Art geschlagen war.
Vitus beugte sich vor, um das Exponat besser betrachten zu können. »Es handelt
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