Der Chirurg von Campodios
woher nimmst du die Sicherheit für diese Prognose?«
Über Arielles Gesicht lief ein spitzbübisches Lächeln. »Ahhh! Ich sagte ›wenn Gott will‹,
mon ami
. Und vielleicht will Gott es. Vielleicht will Gott nicht, dass Jaime, ähhh, gelb wird,
compris
? Vielleicht will Gott nicht, dass er bekommt Rückenschmerzen? Vielleicht will Gott nicht, dass er, ähhh, bricht hervor dunkle Blut?«
Vitus staunte. »Du schilderst exakt die Symptome des Schwarzen Erbrechens.«
»Schwarze Erbrechen? Ahhh, welch ein Name! In Habana man sagt ›Gelbfieber‹.«
»Eine andere Bezeichnung für dieselbe Krankheit. Es wäre gut, neben deinen Maßnahmen noch etwas zur Stärkung der Galle zu geben. Ich schlage Mäusedorn vor.«
»Mäusedorn? Ahhh, schon wieder so ein Name! Was ist Mäusedorn?«
»Der wissenschaftliche Name dafür lautet
Ruscus aculeatus
. Seit altersher gilt er als Therapeutikum für verschiedene Krankheiten, etwa bei der Wassersucht und bei ›fressenden Geschwüren‹, wie Galenos lehrt. Darüber hinaus bringt
Ruscus aculeatus
die Gallensäfte wieder in Gleichklang, eine Eigenschaft, die für Jaimes Genesung unerlässlich sein dürfte.«
Arielle war Vitus’ Ausführungen mit immer größer werdenden Augen gefolgt. »Du bist ein Docteur,
n’est-ce pas
?«
»Ich bin
Cirurgicus Galeonis
, ein Schiffschirurg. Es wäre gut, wenn Jaime zusätzlich etwas Kantharidin bekommen könnte. Ich selbst habe gute Erfahrungen mit diesem Medikament gemacht.«
»Kanthari …
pour l’amour de Dieu
! Was ist das nun wieder für eine
poison
, ähhh, Gift?«
»Kantharidin ist tatsächlich hochgiftig. Es ist eine Substanz, die aus der Spanischen Fliege gewonnen wird. Sie ist sehr wirksam, darf aber nur in geringsten Mengen verabreicht werden, da sonst beim Patienten eine Dauererektion eintreten kann.«
»Eine, ähhh,
érection permanent
?« Arielle prustete los. »Das nicht mehr nötig bei Jaime,
n’est-ce pas, mon ami
? Francisca ist schwanger bereits! Du hast noch mehr so, ähhh,
aphrodisiaques
parat?«
Vitus lächelte schief und winkte ab. »Nein, aber jetzt verrate du mir, ob du dich bei Jaimes Behandlung tatsächlich weitgehend auf Gottes Hand verlässt – oder ob nicht noch mehr dahinter steckt.«
»Ahhh, typisch
L’Anglais
! Immer Ihr wollt gehen auf die Grund von Dingen,
n’est-ce pas
?« Arielle fingerte erneut an ihrem Kragen herum. »Du bist ein Schiffsdocteur, ich bin eine Wahrsagerin und eine Heiler. Beide wir wissen, dass man muss reden mit Kranken, viel reden, um, ähhh, zu verstehen. Jaime mir hat gesagt, er hat Fieber manchmal seit zehn Tagen, so er kann nicht haben Gelbfieber,
compris
?«
»Seit zehn Tagen hat Jaime schon Fieberanfälle?« In Vitus’ Stimme lag freudige Überraschung. »Das würde in der Tat dafür sprechen, dass wir es mit einem anderen, milderen Krankheitsbild zu tun haben. Denn das Schwarze Erbrechen zeigt sich spätestens am vierten Tag durch Gelbsucht, und Jaimes Gesichtsfarbe ist normal.«
»
Oui.
Die Steine werden ihn heilen schnell.«
Der Magister mischte sich ein. »Die Steine? Willst du damit sagen, die Steine hätten Heilkraft, Achille?«
»Arielle,
mon ami
. Arielle! Wenn ich trage Frauenkleider und Perücke, ich bin Arielle,
compris
?« Arielle ordnete mit einer gezierten Bewegung die Locken ihrer Frisur. »Die Steine haben Energie. Sie können heilen viele Krankheiten.«
»Im Ernst?«
»Ahhh,
oui
! Du hast gemerkt die Ruhe, die Harmonie im Escargot? Das sind die Steine. Sie strahlen aus Energie, gute Energie.«
»Wenn du es sagst.« Der kleine Gelehrte rieb sich nachdenklich das Kinn. »Und was bewirkt nun welcher Stein?«
»Die blauen Steine,
mon ami
, sind Lapislazuli, stark und, ähhh, kubisch gebaut, lindern Beschwerden am Kopf und bringen
fortune
!«
»Aha. Und der helle da auf der Stirn?«
»Ein Phantomkristall. Du erkennst, ähhh, wie sagt man?, Phasen von die Wachstum darin,
compris
? Die Wachstum ist die Leben, und die Leben ist nicht Tod. Phantomkristall ist die Leben.«
»Klingt ein bisschen kompliziert«, befand der kleine Mann.
Arielle lachte. »Ist nicht kompliziert. Ist wirksam. Jaimes Weib kann beruhigen sich. Sie ist, ähhh, herzensgut, aber eine, ähhh, Plaudertasche! Es ist leicht, Karten zu lesen für sie.«
»Sie hat dir also vorher verraten, was du ihr nachher prophezeit hast.«
Arielle prustete erneut los und schlug spielerisch nach dem kleinen Mann. »Ahhh, du bist ein
filou
! Aber es ist nicht das nur! Es ist auch, ähhh, Esprit,
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