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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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schlug sie die Hände vor den verhüllten Kopf und flüchtete in die Küche.
    »Ist sie so ungeschickt?«, fragte Vitus teilnahmsvoll.
    »
Oui
und
non
. Manchmal sie ist sehr geschickt. Manchmal nicht,
compris
? Sie ist, ähhh, wie sagt man?, mit ihre Gedanken spazieren?«
    »Nun, in diesem Fall bin ich vielleicht nicht ganz schuldlos. Wenn ich schneller zugefasst hätte, wäre das Ganze nicht passiert.«
    »
Oui
, wir nicht wollen uns verderben lassen den Abend. Louise, Kindchen! Nimm nicht tragisch, bring eine neue Becher Wein und Fromage und Brot!«
    Der Zwerg fistelte: »Wui, wui, Frau Achille, das is ’n Wort. Brand im Rohr un Kohldampf im Speisfang sin üble Gacken. Assusso un gut Beiß!«
    Achille verstand nicht recht, was der Winzling meinte, doch das störte weder ihn noch die anderen. Als endlich das Gewünschte herbeigeschafft worden war, stand Achille auf und wandte sich an die Gäste im Raum. »
Mes amis, mes amis
, aufgepasst!« Sich auf die Zehenspitzen stellend, hielt er seinen Becher unter den Schnabel des Strohhahns und tat so, als trinke der Vogel. »
Voilà
, zuerst Frankreich,
oui
? Und nun: auf euch und auf L’Escargot!
À votre santé!
«
    Sie tranken und verfielen alsbald in eine angeregte Plauderei über die speziellen Vorzüge der Nahrungsmittel ihres Landes, wobei jeder die Meinung vertrat, die Genüsse seiner Heimat seien die besten.
    Erst spät in der Nacht verabschiedeten sich die Freunde, und Achille meinte: »Ihr müsst wiederkommen,
mes amis, promettez

    Und der Magister, dem die Zunge nicht mehr ganz gehorchte, erwiderte: »Wir versprechen es, Ach … rielle! Hupps, hoch und heilig!«
     
    Drei Abende später befanden die Freunde sich wieder im Mittelpunkt der Schnecke. Sie saßen in der Schankstube und tranken andalusischen Wein.
»À votre santé, mes amis!«
, rief Achille, der zu dieser Stunde ein blaues paillettenbesetztes Hemd und eine lila-rot abgesetzte Oberschenkelhose über seidenen Strümpfen trug. »Ich hoffe, es geht gut euch? Ahhh, Vitus, du machst ein Gesicht wie, ähhh, der Laus über die Leber?«
    Vitus setzte seinen Becher ab und lächelte mühsam. »Es fällt mir schwer, eine fröhliche Miene aufzusetzen. Denn außer der Herberge, die wir dank deiner Hilfe auf Anhieb gefunden haben, lässt sich nichts gut an.«
    »Erzähle,
mon ami

    Vitus berichtete von seiner Suche nach Arlette und von den Schwierigkeiten, die sich ihm überall in den Weg gestellt hatten.
    »Ahhh, ich verstehe.
L’amour, n’est-ce pas?
« Wie alle Franzosen bekam Achille schwärmerische Augen beim Stichwort Liebe. »Du warst, ähhh, vorstellig schon beim Gouverneur?«
    Vitus’ Blick verdüsterte sich. »Ich bin nicht einmal bis zu ihm vorgedrungen. Irgendein kleiner Beamter fertigte mich vorher ab. Der Gouverneur sei nicht da. Eine Frau namens Arlette sei nicht bekannt. Keine der gefangenen Frauen hieße so. Er selbst sei sehr in Eile, er habe sehr viel Arbeit, er könne sich nicht um alles kümmern. Ich solle mal im Hafen fragen.« Vitus wollte einen weiteren Schluck nehmen und stellte überrascht fest, dass sein Becher schon leer war. »Das hatte ich natürlich schon längst getan und meine Freunde auch. Überall hatten wir nach Arlette gefragt, nicht nur im Hafen, sondern in der ganzen Stadt, aber niemand konnte etwas mit dem Namen Arlette anfangen … Oh, das ist sehr aufmerksam von dir, Louise, vielen Dank.«
    Während Vitus’ Worten war die Schankmagd herangetreten und hatte ihm den Becher neu gefüllt. Auch heute trug sie ihr langes, sie zur Gänze verhüllendes Gewand, das lediglich am Kopf eine Öffnung für die Augen aufwies. Sie schlug die Wimpern nieder und entfernte sich rasch.
    Vitus trank. »Ein seltsames Mädchen. Hat sie eine Hautkrankheit, oder warum geht sie stets verhüllt?«
    »Oh, wer weiß, wer weiß. Ich glaube nicht. Sie, ähhh, nicht lässt sich untersuchen. Sie ist, ähhh, anders als andere,
compris
? Deshalb sie passt zu mir,
compris
? Deshalb sie passt zu L’Escargot. Deshalb auch der
nain
gut würde zu L’Escargot passen,
n’est-ce pas, mon petit ami
?« Achille grinste den Zwerg an.
    »Wiewo, Frau Achille? Was tarrt das zinken?«
    Achilles Grinsen wurde breiter.
»Rien, mon petit ami, rien.«
    Vitus drehte den Becher in den Händen. »Ich verstehe, was du meinst, Achille.«
    »L’Escargot ist, ähhh,
unique
. Leute kommen, gaffen, bleiben, trinken. Gutes Rezept zum Verdienen Geld. Apropos Rezept, ich habe, wie sagst du?, ›Mäusedorn‹ Jaime

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