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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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fast vor Empörung, während sie das Fläschchen den Klauen der Frau wieder entwand. Triumphierend hielt sie es hoch. »Das, Mesdames, ist ein, ähhh, Arcanum,
compris
? Ein, ähhh, Geheimmittel. Ich nie sage normalerweise den Inhalt, aber jetzt ich mache eine Ausnahme.
Alors
, ein paar Details.« Sie zupfte an einer Falte des Mühlsteinkragens, den sie auch an diesem Tage zu dem kirschroten Kleid trug, und begann:
    »Asche von Schlehenholz ist
contenu, oui
? Zinnpulver, ähhh, sodann Pulver von Nelken, Honig und
vin naturelle
. Das Ganze sieden lassen …« Sie machte ein geheimnisvolles Gesicht und wiederholte: »Sieden, sieden, sieden, Mesdames – und, ähhh, seihen! Wie, ich sage nicht. Zubereitung und Mengen
naturellement
sind
secret

    Eine dürre Frau mit Haube auf dem Kopf nickte zögernd und fragte nach dem Preis. Arielle nannte ihn. Ob der hohen Summe schrien die Frauen entsetzt auf, und Vitus beobachtete belustigt, wie sie dennoch eifrig die Köpfe zusammensteckten und gleich darauf ein Fläschchen erwarben.
    Als sie fort waren, wurde aus Arielle wieder Achille; Stimmlage und Bewegungsart glichen wieder der eines Mannes. Er setzte sich aufseufzend an den kleinen Tisch. »Oh,
mon ami
, Frauen! Sie würden geben, wie sagt man?, ihre letzte Hemd für die Jugend! Ich nicht kann geben ihnen ein Elixier, aber eine, ähhh, gute Gefühl,
n’est-ce pas

    »Für ein gutes Gefühl war der Fläschchenpreis aber ziemlich hoch, meinst du nicht?« Vitus trat heran und setzte sich ebenfalls.
    »Ahhh, pah!« Achille strich die Locken seiner Perücke nach hinten. »Gesundheit,
mon ami
, hat zu tun viel mit die Gefühl,
compris
? Wenn ich habe eine gute Gefühl, ich sehe gut aus und bin gesund, wenn ich habe eine schlechte Gefühl, ich sehe schlecht aus und sterbe früh,
c’est tout, oui

    »So habe ich es noch nie gesehen. Aber wenn es so ist, wozu hast du dann die Heilsteine und das alles?«
    Achille lachte. »Wieder mal typisch
L’Anglais
. Will gehen die Dinge auf die Grund!« Er wies mit einer weit ausholenden Geste auf seine Kostbarkeiten. »Meine Lieblinge sind, ähhh, wie sagt man?, Gefühle, die zu Stein geworden,
compris
?« Er sprang auf und holte mehrere herbei. Es waren genau zwölf. Nacheinander gab er sie Vitus in die Hand. »Was du spürst?«
    Vitus ließ sich Zeit mit der Antwort. Endlich sagte er: »Nun, es ist mir, als würden die Steine nach einiger Zeit Leben entwickeln. Vielleicht, weil sie die eigene Körpertemperatur angenommen haben, aber das allein ist es nicht. Ich habe den Eindruck, sie besitzen eine eigene Kraft, eine Art Strahlung, die sich auf mich überträgt. Es ist eine ruhige, stetige Strahlung, eine Kraft, die in mich überzugehen scheint. Ein angenehmes Gefühl.«
    »Du spürst es? Ahhh!« Achille sprang auf. »
Fantastique
, ich wusste es! Du bist, ähhh,
sensible, oui
? Nicht jeder es spürt so deutlich! Sag, von meine Lieblinge welcher ist der stärkste?«
    »Ich glaube, dieser.« Vitus wies auf einen wasserhellen Bergkristall.
    »Ahhh,
oui
! Und wann ist dein Geburtstag?«
    »Am 9. März, das heißt …«
    »Le neuf mars, mon ami?«
, unterbrach Achille enttäuscht. »Das nicht kann sein, der Kristall ist nicht stark für Fische.«
    »… das heißt, genau genommen bin ich Anfang Februar geboren.« Vitus entschied, dass es zu weit führen würde, jetzt seine Findelkind-Geschichte zu erzählen.
    »Ahhh, dann es stimmt wieder!« Achille wirkte grenzenlos erleichtert. »Jedes Sternzeichen hat seinen, ähhh, Amulettstein,
compris
Der Amulettstein ist stärkste Kraft für die Sternzeichen!
Voilà.
« Er wies mit der Hand über sich, wo das Tierkreismännchen angebracht war. »Siehst du,
mon ami
? Der Männchen es zeigt: Der Saphir beeinflusst die Fische, der Bergkristall einen Wassermann wie dich, oder soll ich sagen einen Schiffsdocteur?
Voilà
, der Chrysopras gibt Kraft dem Steinbock, der Hyazinth dem Schützen, der Amethyst dem Skorpion, der Beryll der Waage … Apropos Beryll.« Er unterbrach sich. »Was ist mit dem Magister eigentlich? Er müsste haben Berylle, ähhh, Augengläser,
n’est-ce pas

    »Die braucht er in der Tat«, entgegnete Vitus. »Aus eben diesem Grund ist er heute mit Enano und Hewitt in Habana unterwegs. Er hofft, einen Glasschleifer zu finden, der ihm Linsen und ein entsprechendes Nasengestell anfertigen kann.«
    »Dann es ist gut.« Zielstrebig fuhr Achille fort: »Der Smaragd gibt Kraft der Jungfrau, der Jaspis dem Löwen, der Chalcedon dem

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