Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Emotion, Kenntnis von Menschen.«
    »Klar. Und dafür nimmst du ihr Geld ab. Immerhin, die Frau ist getröstet nach Hause gegangen. Das ist etwas wert.«
    »
Oui.
Und ich mache gesund Jaime umsonst. Ist das nichts?«
    Der kleine Mann stutzte. »Was, du machst es für Gottes Lohn? Alle Achtung, das hätte ich nicht gedacht.«
    Arielle wurde übergangslos ernst. »Weißt du, Magister, ich bin ein Heiler. Ich bin eine Seherin. Ich bin, ähhh, ein Patron von die Bistro. Ich bin alles, wenn ich kann machen damit Geld. Aber ich bin auch ein Mann, der hilft oft. Oder eine Frau … Mir man hat nie viel geholfen, aber ich, ähhh, nicht vergelte Gleiches mit Gleichem,
compris
? Nicht Auge um Auge, nicht Zahn um Zahn, das ist Altes Testament,
compris
? Ich bin Hugenotte.«
    »Also Protestant«, stellte der Magister fest. »Ich dagegen bin Katholik und ein überzeugter dazu, aber das ist noch lange kein Grund, dass wir uns nicht verstehen. Wie heißt es so richtig bei Johannes? In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Komm, schlag ein.« Er blinzelte und streckte seine Rechte vor.
    »
Oui, mon ami
, das ist ein Wort. Ich immer sage: Wir beten alle zum gleichen Gott. Und ich nicht glaube, dass Gott will, dass wir uns die, ähhh, Köpfe einschlagen,
n’est-ce pas

    »Beileibe nicht. Sag, Achi … äh … Arielle, ich habe da nebenan einen recht einladenden Raum gesehen, wo man einen Becher Wein ausschenkt.«
    »Ahhh,
oui
! Du magst gern einen guten Tropfen? Kommt,
mes amis
, Jaime wir können allein lassen. Louise wird schauen nach ihm später.«
    Kurz darauf saßen sie in der Schankstube, einem Raum mit blank gescheuerten Tischen und langen Bänken, und warteten auf Arielle. Sie sahen sich um, aber es gab nicht viel zu entdecken. Ein paar Weinfässer standen an der Wand, bauchige, nach säuerlichem Holz riechende Behältnisse mit Zapfvorrichtung. Darunter je ein Auffanggefäß und darüber Regale mit Bechern und Krügen. Von der Decke herab baumelte ein Hahn aus Stroh in den Farben Blau und Rot – den Stadtfarben von Paris. Am Ende der Schankstube befand sich eine abgeteilte Ecke mit Utensilien für den Küchenbetrieb.
    »Ahhh,
mes amis
! Pardon für die Verspätung!« Arielle, nun wieder Achille, betrat in Männerkleidung den Raum. Er trug die Dinge vom Mittag, nur den Hut hatte er abgelegt, ebenso wie Arielles Frauenperücke. Sein natürliches Haupthaar war braun und schulterlang. Er setzte sich zu Vitus und fragte: »Ihr habt noch nicht bestellt?
Non?
Warum so, ähhh, schüchtern? Ich gebe aus
vin rouge
für alle, he, Louise, Kindchen! Louiiiiise!«
    Endlich erschien ein vermummtes Ding aus der Küchenecke. »Das ist Louise«, erklärte Achille. »Ich sie habe erst kurze Zeit. Sie vorher war bei Francisca und Jaime. Louise ist stumm, keiner, ähhh, weiß ihren Namen, armes Ding. Sie, ähhh, rührt mein Herz,
compris? Alors, Louise, du vin rouge
für alle!«
    Die Magd nickte. Unter dem beifälligen Gemurmel der Zecher begann sie Becher von den Regalen zu nehmen und mit Wein zu füllen.
    »Leider ich habe nicht französische Wein, nur spanische«, bedauerte Achille.
    Der Magister protestierte: »Wieso sagst du ›nur‹? Der spanische Wein ist keinesfalls schlechter! Im Gegenteil, ich denke da an einen glutvollen Tropfen aus der Rioja oder einen weichmundigen Málaga.« Seine Augen verklärten sich. »Wie lange ist es her …«
    »Oui, mon ami
, wir nicht wollen streiten. In jedem Fall ich habe Käse, guten Käse, der schmeckt, ähhh, wie
Foume d’Ambert
original. Louiiiiise, Kindchen! Bring uns Käse, schnell!«
    Doch die tief verhüllte Gestalt konnte nicht alles auf einmal erledigen, und bevor sie den Käse heranschaffte, trug sie erst einmal den Wein auf. Mit raschen Bewegungen stellte sie vor jeden einen gut gefüllten Becher hin und nickte jeweils höflich. Als die Reihe an Vitus war, blickte dieser auf und nickte zurück. »Vielen Dank, Louise.«
    Louises Finger umkrampften den Becher, ohne ihn abzusetzen. Vitus lachte. »Du scheinst mir meinen Wein nicht zu gönnen? Gib mir ruhig den Becher.« Seine Rechte mit dem Wappenring griff nach dem Gefäß, wollte es ihr abnehmen, doch in diesem Augenblick geschah es: Der Becher entglitt Louises Hand, fiel auf den Boden und zerbrach in tausend Stücke.
    Achille schrie auf: »Ahhh, Louiiiiise! Was tust du? Der Wein, der Wein, der schöne Wein! Wenn du machst so weiter, du bringst mich, ähhh, an die Bettelstab!«
    Louise erstarrte für einen Wimpernschlag, dann

Weitere Kostenlose Bücher