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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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und wir wollen noch raus aus der Bucht.«
    »Ja, Jawy. Wo war ich? Ach ja, was soll ich sagen, ich frag ihn also ›Bist du Hewitt?‹, un er sacht ja, un Jim un Tom ham ihn auch gefragt, un jedes Mal hat er gesacht, er is Hewitt. Ja, so war das. Sah aus wie’n Hungerhaken im Sack, der Junge, abgemagert wie’n Stint un zerstochen von den Moskitos. Na, was soll ich sagen, Jim un Tom ham sich gefreut, dass er nich tot is, un ihn gefragt, wo er die ganze Zeit war. Na ja, er konnt ja erst gar nich reden, so schwach war er, aber dann hat er gesacht, er wär damals aufgefischt worden, du weißt doch, Jawy, damals, als wir ihn über Bord …«
    »Ja, ja, mach schon. Komm zu Ende.«
    »Ja, Jawy. Wo war ich? Er is damals dann irgendwie aufgefischt worden un is dann wieder schiffbrüchig geworden, er sacht, er wär auf ’m Fischerkahn gefahrn, würde in Habana ’ne neue Heimat ham un so weiter, also, was soll ich sagen, wir ham ihn dann mit an Bord genommen un ihm erst mal was zu fressen gegeben, un als er wieder so einigermaßen beisammen war, hat er die Sache mit den beiden Burschen hier mitbekommen, ’s war, als du gesacht hast, du willst sie an der Rah aufknüpfen lassen, Jawy.«
    »Ja, ja, ich weiß. Weiter.«
    »Ja, also, was soll ich sagen, du weißt’s ja selber, Jawy, dass Hewitt sich die beiden Burschen angekuckt hat, als sie noch die Engel singen gehört ham, un dass ihm da aufgefallen is, dass er beide kennt, weil er aus Woart … Worthy … verdammt, ich weiß nich mehr, wie das Kaff heißt, aus dem er kommt, wie heißt das Kaff, Jawy?«
    »Worthing oder so ähnlich. Egal, mach hin, ich will den dämlichen Gesichtsausdruck von dem Bürschchen sehen.«
    »Ja, Jawy, also, Hewitt hat gesacht, er wüsste, wer die beiden Burschen sin, sie wärn Herrschaften von ’nem Schloss in der Nähe von Woart … Worth … verdammt, ich …«
    »Worthing!«, schnappte Jawy.
    »Richtich, un das Schloss hieß, warte …«
    »Weiter, Blubber!«
    »Ja, ’tschuldigung, Jawy, was soll ich sagen, Hewitt also sacht, er wüsste, wer die beiden sin, der eine würd sich Vitus von Campo … Campodingsbums nennen, aber in Wirklichkeit wär er der junge Lord Collincourt vom Schloss, äh … du weißt schon, wie’s heißt, un der andere wär der Juristenmagister Ramiro Graci, äh … du weißt schon. Na, jedenfalls sacht er, ihm wärn die Herrschaften bekannt, aber ihn würden sie natürlich nich kennen, er wär ja nur ’n kleines Licht, Kind armer Leute un so, aber die Collincourts, die wärn betucht, schwer betucht. Die ganze Gegend würd ihnen gehörn un so, die ganze Gegend, bis runter nach Woart … Worth … verdammt, ich … Tja, Jawy, und dann bist du auf den Dreh mit dem Lösegeld gekommen, nich, Jawy?«
    »So ist es, Blubber.« Jawys Augen leuchteten, sein Unterkiefer mahlte. »Das blonde Bürschchen ist reines Gold wert, und der Paragraphenverdreher sicher auch. Ich werde die Angehörigen der Klugscheißer in England zur Kasse bitten. Doch vorher setze ich sie auf einer einsamen Insel ab, mit Proviant, sagen wir, für ein Jahr. Bekomme ich das Lösegeld, verrate ich den ehrenwerten Familien den Namen der Insel, bekomme ich nichts, können sie verrecken. Was sagt ihr dazu, Klugscheißer? Da guckt ihr dämlich, was?«
    »Du bist wahrhaftig ein Teufel in Menschengestalt.« Vitus sprach betont langsam. Seine Empörung war eiskalter Entschlossenheit gewichen. »Aber der Allmächtige hat bisher noch jeden Teufel zur Hölle geschickt, und wir werden ihm gern dabei behilflich sein.«
     
    »Ich finde, wir haben Glück im Unglück. Es ist doch viel besser, hier in der Dunkelheit zu sitzen, als oben an der Rah zu baumeln! Wenn ich’s recht bedenke, sollten wir Jawy sogar dankbar sein.« Der Optimismus des kleinen Gelehrten ließ sich auch in dieser Situation nicht unterkriegen.
    Die Freunde saßen mit dem Rücken zur Bordwand. Die Zeit, die vergangen war, nachdem Jawy und Blubber sie verlassen hatten, war schwer abzuschätzen. Vielleicht waren es zwei, vielleicht sogar drei Stunden. Fest stand in jedem Fall, dass die
Torment
ankerauf gegangen war; das schwere Schleifen der Trossen in den Klüsen und das Quietschen des Spills waren unverkennbar gewesen. Ebenso die Unruhe, die alsbald das ganze Schiff befallen hatte. Drei Decks über ihnen war Fußgetrampel zu hören gewesen, Kommandos waren gebrüllt worden, Kolderstab, Gelenk und Pinne hatten ihr typisches Knirschen ertönen lassen, Ruder war gelegt worden, und

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