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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Ketten, war zu vernehmen, dann wieder dröhnten rumpelnde Geräusche durch die Decks. »Beim Blute Christi!«, rief der Magister. »Denkst du, was ich denke? Jawy lässt die Kanonen ausrennen. Sicher hat er ein Opfer ausgemacht!«
    »Kann sein.« Vitus hielt die Augen geschlossen, um sich besser aufs Lauschen konzentrieren zu können. »Oder er wird selbst angegriffen. Der Hektik da oben nach zu urteilen, ist das genauso gut möglich.«
    »Hm, hm. Kaum spricht man davon, dass man in kein Gefecht verwickelt werden möchte, schon scheint eines stattzufinden. Und wir stecken hier …«
    Der Magister hatte »fest« sagen wollen, war aber nicht mehr dazu gekommen, denn unter ohrenbetäubendem Krachen hatte die
Torment
sich auf die Seite gelegt und den kleinen Mann aus dem Gleichgewicht gebracht. »Das war eine Breitseite!«, keuchte er.
    Unwillkürlich duckten die Freunde sich, denn sie erwarteten die Antwort des Gegners. Doch die blieb aus. Als sie sich wieder entspannt hatten, brach es über ihnen erneut los. Abermals brüllten die Geschütze auf. »Der Gegner scheint Fersengeld zu geben!«, rief der kleine Mann, während er sich an einen der Gitterstäbe klammerte. »Der Allmächtige gebe, dass es ihm gelingt!«
    »Vielleicht wartet der andere auch nur ab«, überlegte Vitus, »um sich in bessere Schussposition zu bringen. Oder er hat nicht so weit tragende Kanonen. Oder er hofft auf Verstärkung. Wenn es ein Don der Armada ist, und vieles spricht dafür, dann segelt er bestimmt nicht allein. Die
naos
, die Frachtschiffe, werden immer von Kriegsgaleonen begleitet, die allerdings nicht überall sein können. Wie gesagt, vielleicht hofft der Angegriffene nur auf Verstärkung …«
    »Während er gleichzeitig zu entwischen versucht, was der Allmächtige so einrichten möge!«
    Wieder donnerten Kanonen los, doch diesmal leiser, entfernter. Vitus rief: »Da haben wir die Antwort! Der Gegner versteckt sich also nicht!«
    Augenblicke später zeigte sich, dass der Unbekannte sich nicht nur keineswegs versteckte, sondern auch unangenehm genau zu schießen in der Lage war. Die Breitseite traf dicht vor der Bordwand auf die See. Gischt spritzte hoch, eine Wasserwand türmte sich auf und schlug gegen den Rumpf, es klang, als würden Brandungsbrecher gegen Felsen schlagen. »Das war knapp.« Unwillkürlich flüsterte der Magister. »Hoffen wir, dass er nicht immer so gut zielt.«
    Nach bemerkenswert kurzer Zeit schoss der Gegner die nächste Breitseite ab. Diesmal flogen keine Kugeln ins Meer, vielmehr war plötzlich ein kräftiger Knall zu hören, wie beim Schlagen einer Peitsche, nur ungleich lauter. »Was war das?«, fragte der Magister und wurde im selben Moment wieder durchgeschüttelt, denn die
Torment
war die Antwort nicht schuldig geblieben.
    »Der Gegner hat vermutlich eines der Stage durchschossen«, antwortete Vitus. »Sein Stückmeister schießt eine Gabel: Erst hält er niedrig, dann hoch, und dann …«
    »Und dann wird’s langsam ungemütlich.« Der kleine Mann nickte grimmig. »Ehe ich hier Wasser schluckend zugrunde gehe, möchte ich lieber durch einen sauberen Schuss getötet werden. Schnell und ohne viel Federlesens.«
    »Noch ist es nicht so weit. Vielleicht erhalten wir nur ein paar harmlose Treffer. Ich habe mir sagen lassen, so etwas ist gar nicht so selten. Die Präzision der Geschütze lässt häufig zu wünschen übrig, dazu kommt, dass beide Kontrahenten fahren, was eine ständige Veränderung des Ziels mit sich bringt. Vielleicht besinnt Jawy sich ja auch eines Besseren und lässt den Unbekannten in Ruhe. Vieles ist möglich.«
    »Vieles ist möglich und alles ist
mierda
, jedenfalls, solange wir hier wie der Fuchs in der Falle hocken. Verzeih den Ausdruck, er ist eines Gelehrten unwürdig, aber …«
    Wooommmmm!
    Das war schon wieder der Fremde, der mit beachtlicher Schnelligkeit seine Breitseiten abschoss. Die Tatsache, dass die gesamte Breitseite fast wie ein einziger Schuss klang, zeugte von hervorragendem Geschützdrill. Vitus schätzte, dass der Gegner um ein Drittel rascher feuerte als die
Torment
. Wer immer er war, er würde schwer zu besiegen sein.
    Jetzt schoss die
Torment
wieder. Die eigene Backbordbatterie donnerte los, nicht so einheitlich wie der Gegner, doch immerhin so gewaltig, dass der Segler sich durch den Rückstoß nach Steuerbord überlehnte. Der kleine Gelehrte flog zum wiederholten Mal durch die Zelle. »Man bricht sich noch Arm und Bein, und die Ohren klingeln mir, als

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