Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
doch mit dem Teufel zugehen, wenn die verdammten Dons nicht endlich aus ihren Löchern kommen!« Er drehte ab und wollte schon seine Kajüte aufsuchen, da fiel ihm etwas ein: »Atmet der Klugscheißer überhaupt noch?«, fragte er.
    Tipper hob mit seinen Männern den schlaffen Körper über das Schanzkleid. »Weiß nich, Jawy, mal sehen.« Er ließ Vitus unsanft aufs Deck fallen. »Wenn er zu viel Wasser in der Lunge hat, is er hin.« Tipper beugte sich herab und hob das eine Lid hoch. »Hm, weiß nich, ’s Auge bewegt sich nich.«
    »Dann mach irgendwas«, schnappte Jawy. Er dachte an das Lösegeld.
    »Darf ich mal?« Das war Hewitt, der sich aus dem Pulk der Gaffer gelöst hatte. Ohne Jawys Zustimmung abzuwarten, ging er auf den Gemarterten zu und drehte ihn auf den Bauch. Der Rücken wurde sichtbar. Er war eine einzige Wunde. Der junge Matrose presste die Lippen zusammen, doch konnte der Anblick ihn nicht abschrecken. Er packte Vitus um die Taille und hob ihn mehrere Male ruckartig an. Nichts geschah. Er wiederholte den Vorgang. Wieder nichts. Die Männer um ihn herum verloren langsam das Interesse, aber Hewitt war hartnäckig. Er machte weiter. Wieder und wieder riss er den leblosen Körper hoch, und endlich: Seine Bemühungen hatten Erfolg! Ein Schwall Wasser brach aus Vitus’ Mund hervor, und Augenblicke später begann er sich zu rühren.
    Jawy knirschte. »Wer sagt’s denn! Der Klugscheißer ist zäh wie Leder. Sollte man gar nicht vermuten bei einem, der blaues Blut hat. Und jetzt schafft ihn wieder runter. Tipper, du steuerst den Kahn nach Westen, doppelter Ausguck in den Fockmars. Wehe, die Dons entwischen uns. Ich bin in meiner Kajüte.«
     
    In der Arrestzelle tief unten im Orlopdeck saß der Magister und behandelte Vitus’ Rücken. Hewitt, der Zuverlässige, hielt ein Töpfchen mit Honigsalbe durch die Gitterstäbe, aus dem der kleine Gelehrte sich bediente. Es war der fünfte Tag nach der Tortur des Kielholens. Vitus ging es schon deutlich besser. Blutverlust und Schock waren zwar stark gewesen, aber die Wunden gottlob nicht so schlimm wie zunächst angenommen. Sie hatten aus einem dichten Gitterwerk tiefer Schnitte bestanden, die kreuz und quer über den Rücken liefen und deren Ursache die scharfen Kanten der Saugmuscheln waren. In den ersten Tagen hatten sich einige Partien der Wundfläche entzündet, was für Vitus mit weiteren Schmerzen und Fieber verbunden war, doch der kleine Gelehrte hatte sich als guter Arztassistent erwiesen. Er war mit Hilfe des Zwergs, der noch immer unentdeckt im Beiboot der
Torment
hauste, an einen Haufen Kohlblätter aus den Küchenvorräten gekommen. Diese Blätter zerquetschte er, bis sie feucht und saftig waren, und setzte sie anschließend als Wundauflage ein.
    Damit nicht genug, hatte er einen guten Einfall gehabt: Er hatte Hewitt gebeten, doch einmal in Vitus’ Kiepe und Instrumentenkoffer nach Heilkräutern zu suchen, und der junge Matrose war tatsächlich fündig geworden. Er hatte Kalkpulver aufgetrieben und dazu einen Salbenrest aus Wallwurz und Meerrettichwurzeln. Diese Arzneien, zusammen mit der Honigsalbe, hatten sehr geholfen.
    »Unkraut vergeht nicht«, brummte der kleine Gelehrte, während er sich anschickte, Vitus’ Verband zu wechseln. »Wird Zeit, dass du gesund wirst, die Salbe reicht höchstens noch für eine Anwendung, und außerdem gefällt es mir in unserer Herberge zunehmend schlechter.« Er blickte auf zu Hewitt. »Du sagst zwar, dass ein Ausbruch zwecklos ist, weil die Piraten uns sofort überwältigen würden, aber mir wär’s trotzdem lieb, wenigstens den Versuch zu machen. Wenn wir erst einmal draußen sind, wird es schon irgendwie weitergehen.«
    Vitus meldete sich: »Ich bin auch dafür, den Versuch zu wagen. Wie ihr wisst, hatte ich viel Muße zum Nachdenken, und ich glaube, es gibt einen Weg, um an Blubbers Schlüssel heranzukommen.«
    »Was? Erzähle!« Die Freunde sprachen wie aus einem Munde. »Es ist ein Plan, der riskant ist und der keineswegs klappen muss, aber mir ist kein anderer eingefallen.«
    »Erzähl schon, was sollen wir tun?« Der Magister, der die letzten Stoffstreifen um Vitus’ Oberkörper wickelte, unterbrach gespannt seine Tätigkeit.
    »Ihr sollt gar nichts tun. Und auch ich werde nichts unternehmen. Keiner von uns kann sich an der Ausführung des Plans beteiligen. Passt auf, ich denke mir Folgendes.«
    Und dann erklärte Vitus seine Idee.
     
    Blubber saß im äußersten Bug der
Torment
und entleerte sich

Weitere Kostenlose Bücher