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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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festgemacht werden. Bedenkt, wie sehr Ihr mir damals geholfen habt. Auf diesem Schiff war es, als Ihr mein Wappen als das der Collincourts erkanntet. Wenn Ihr nicht gewesen wäret, hätte ich keine Vorstellung gehabt, wo ich in England meine Familie suchen sollte.«
    »Wisst Ihr was?« Hall klang plötzlich sehr lebhaft. »Wir sollten noch ein wenig nach draußen gehen. Die frische Luft auf dem Oberdeck wird uns gut tun.«
    »Einverstanden.«
    Sie erhoben sich vorsichtig und traten auf Deck. Hall umkurvte zielstrebig die Überdachung des Ruderstands, ließ einen der vier Mastknechte links liegen und griff in die Steuerbordwanten des Hauptmasts. »Mein Lieblingsplatz. Bin öfter nachts hier. Wir alten Leute brauchen nicht mehr so viel Schlaf, Cirurgicus.« Im fahlen Licht des Mondes wirkte sein Grinsen maskenhaft.
    Vitus blickte sich um. »Es ist angenehm hier um diese Zeit.«
    In der Tat war die Nacht so klar, die Luft so weich und die Fahrt der
Falcon
so stetig, dass Vitus’ Gedanken an die komplizierte Operation im Nu verschwanden. Er stellte sich neben den alten Arzt und genoss den Augenblick. Sie waren die Einzigen an Oberdeck, wenn man von dem Kopf des Rudergängers, der wachsam zu ihren Füßen aus seinem Stand hervorspähte, einmal absah. Die
Falcon
glitt ruhig dahin. Vor ihnen senkte sich in ewigem Ablauf ihr Bug, tauchte in die See, hob sich wieder, um bald darauf abermals einzutauchen, dem angestammten Element entgegen. Neben ihnen rauschte das Meer an der Bordwand entlang, einer Stromschnelle gleich, und hinter ihnen, achteraus, verliefen sich glitzernde Heckseen bis zum Horizont. Über ihnen sang der Wind in der Takelung, und es klang, als wäre es schon immer so gewesen und würde immer so sein. »Frieden«, sagte Hall. »Ein bisschen mehr von diesem Frieden, und die Welt sähe anders aus. Ein bisschen mehr Verständnis, das ist es, was die Menschen füreinander aufbringen sollten. Und ein bisschen mehr Selbsterkenntnis.«
    Er räusperte sich. »Womit ich nochmals bei mir und meinen Fähigkeiten als Arzt wäre. Seht, Cirurgicus, ich mache mir nichts vor. Ich bin der Sohn eines armen Brunnenmachers aus Cornwall, und insoweit habe ich es mit dem Doktor der Medizin schon weit gebracht. Ich vermag Quetschungen, Stauchungen, Brüche, Flüsse, Fisteln und Furunkel zu behandeln, auch ein Schlüsselbeinbruch oder eine Nasenfraktur sind für mich kein Buch mit sieben Siegeln, ebenso weiß ich trefflich über Bedeutung und Anwendung der Vier-Säfte-Lehre zu disputieren, aber wenn es um eine lebensgefährliche Operation geht, dann … dann bin ich regelmäßig mit meinem Mut am Ende. Wenn es gilt, einen Steinschnitt zu setzen, einen Starstich vorzunehmen, einen brandigen Fuß zu amputieren, dann stockt mir die Hand. Nicht dass ich mich vor der Arbeit drücken würde, ich führe sie aus, selbstverständlich, aber ich tue es mit Widerwillen, ja, und häufig auch mit … Angst.«
    Vitus schwieg. Einerseits fühlte er sich geehrt, dass der alte Mann ihm gegenüber so offen war, andererseits waren ihm die Enthüllungen peinlich.
    »Vielleicht ist es Euch unangenehm, dass ich so freiheraus rede, Cirurgicus, und wenn es so ist, bitte ich Euch um Entschuldigung, aber dies sind Dinge, über die ich einfach einmal reden musste, und ich denke, Ihr seid dafür der richtige Zuhörer.«
    »Ich fühle mich durch Eure Freimütigkeit geehrt, Sir.« Vitus empfand die Offenbarungen des alten Arztes plötzlich gar nicht mehr als peinlich.
    »Seht, Cirurgicus, es ist nun knapp zwei Jahre her, dass Ihr mir sämtliche Zähne extrahiert habt, weil Ihr die Vermutung hegtet, meine Gicht würde dadurch ausgemerzt werden. Eine mutige Entscheidung von Euch, und der Erfolg gab Euch Recht. Doch glaubt mir: Ich an Eurer Stelle hätte mich das nicht getraut. Versteht Ihr, was ich meine?«
    »Ich denke, ja, Sir. Es ist das Problem, inwieweit man als Arzt Verantwortung übernehmen will. Manchmal scheint eine Operation für den Augenblick nicht zwingend notwendig zu sein. In diesem Fall kann man es sich leicht machen und den Eingriff aufschieben, zumal dann, wenn er lebensgefährlich ist. Oder aber man operiert, und dazu gehört Mut. Und Gottvertrauen. Ich glaube, ich habe bisher das Glück gehabt, dass meine schweren Operationen alle glatt verliefen.« Vitus machte eine Pause und musste an die Trepanation des vergangenen Tages denken. »Ich hoffe, ich kann das bald auch von Dunc sagen.«
    »Das glaube ich bestimmt, mein Junge. Doch selbst wenn

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