Der Chirurg von Campodios
ließ sich neben ihm nieder. »Das sollten wir. Das sollten wir wirklich.«
Er blickte ihr in die Augen, denn irgendetwas an ihrem Tonfall hatte ihn aufhorchen lassen. »Das sagst du so seltsam. Hast du etwas?«
»Oh nein.« Ihr Lächeln wurde wieder zu jenem Strahlen, für das er sie so liebte. »Oh nein, es ist nur, dass ich nicht mehr lange solche Korsagen werde tragen können.«
»Nanu? Das tut mir aber Leid.« Er begann ihre Brustspitzen zu küssen. »Aber mir ist es egal, was du trägst, ich werde dich immer lieben, und wenn du von heute an nur noch in einem Jutesack herumliefst.« Er machte sich am Bund ihres Höschens zu schaffen, doch sie hielt seine Hand fest, legte sie auf ihren Bauch und sagte:
»Du Dummer, ich werde keine Korsagen mehr tragen können, weil ich nicht mehr hineinpasse.« Sie drückte seine Hand. »Ich bin schwanger.«
»Du bist …?« Der Mund klappte ihm auf, als säße ein Scharnier darin. Dann hatte er die ganze Tragweite des Satzes ermessen. »Du bist schwanger? Wirklich?«
»Ja, ich bin ganz sicher.«
»Hurraaaaa!« Er riss sie an sich, bedeckte sie mit Küssen, ließ von ihr ab, küsste sie wieder, während die Worte nur so aus ihm hervorsprudelten: »Das ist ja wunderbar! Oh, Liebste, ich konnte es im ersten Moment gar nicht glauben, ich dachte, ich höre nicht richtig! Wunderbar ist das, großartig, phantastisch! Sag, geht es dir auch gut? Du musst dich von heute an schonen, darfst nichts mehr machen, ich werde dir alles abnehmen, alles! Schwanger bist du, schwanger, um Gottes willen, schwanger! Wie freue ich mich! Was werden die anderen nur dazu sagen, na, die erfahren’s noch früh genug. Dein Bauch, dein Bauch, dein süßer Bauch! Aber er ist ja noch gar nicht rund? Man sieht ja noch gar nichts? Ach, ich rede Unsinn, man kann ja noch gar nichts sehen, wir sind ja noch keine drei Monate auf See, keine drei Monate. Oh, Liebste, oh, Liebste …«
Sanft, aber nachdrücklich hielt Arlette ihm den Mund zu. »Es wird ein ganz normales Kind sein, und es wird im Februar nächsten Jahres geboren werden.«
»Ja, im Februar, wunderbar!« Er küsste sie, diesmal behutsamer, während er mit äußerster Vorsicht ihren Bauch streichelte. Dann stutzte er. »Aber das hieße, dass du schon im vierten Monat schwanger bist?«
»Das bin ich doch auch.«
»Aber … man sieht doch noch gar nichts?«
Sie lachte. »Es ist nicht ungewöhnlich, dass man zu diesem Zeitpunkt noch nichts sieht.«
»Ja, natürlich. Natürlich. Aber das hieße auch, dass wir das Kind, ich meine, dass ich das Kind schon vor unserer Seereise gezeugt habe, und ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wann das geschehen sein sollte.«
»Oh, Liebster, natürlich weißt du das.«
»Ja?«
»Ja. Es passierte in der Nacht im Escargot.«
Das rote Schild mit der Aufschrift POLLY ’S WHARF rückte näher. Vitus wies mit dem Arm darauf und sagte: »Da vorn ist es schon, Kutscher. Halte dort bitte.«
Der Mann auf dem Bock, ein brummiger Alter mit gebeugtem Rücken, nuschelte etwas in seinen eisgrauen Bart, gehorchte aber.
»Liebste, du musst ganz vorsichtig sein. Warte, ich helfe dir.« Vitus’ kräftige Hände umspannten Arlettes immer noch schlanke Taille, und mit behutsamem Schwung setzte er sie auf dem Boden ab. Als er sah, wie Arlette den Abfall und Unrat musterte, der wie überall auch hier die Gasse bedeckte, sagte er entschuldigend: »Es ist nicht die sauberste Gegend, aber ich bin sicher, dass wir gastliche Aufnahme finden werden.«
Bei seinen letzten Worten hatte ein lautstarkes Gepolter eingesetzt, unterbrochen von kräftigem Gebrüll. Plötzlich wurde die Tür der Herberge aufgestoßen, und ein Körper flog ihnen, einer Kanonenkugel gleich, entgegen. Der Mann landete in der Straßenrinne, wo er stöhnend und schimpfend liegen blieb.
»So gastlich scheint mir das Haus nicht zu sein«, meinte Arlette trocken. Sie zog die Fingerlinge ihrer Handschuhe glatt und musterte das rote Schild.
»Das haben wir gleich, Liebste. He, Magister, sag dem Kutscher, dass er uns gerne beim Abladen helfen darf. Vorher gibt es keine Entlohnung.« Vitus ging zur Herbergstür und drückte sie vorsichtig auf. Doch ehe er sie ganz öffnen konnte, erklang von drinnen eine starke Stimme:
»Amos Potter, du alte Saufnase, wenn du es wagst, noch einmal hier hereinzukommen, dreh ich dir den Hals um, so wahr ich Polyhymnia heiße. Geh deiner Wege.«
Vitus musste grinsen, während er vorsichtig die Tür weiter öffnete. Er tat einen
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