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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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sagt, es dauert nicht mehr lange, und in den Spanischen Niederlanden schließen sich die Nordprovinzen gegen die Dons zusammen. Wilhelm von Oranien heißt der Bursche, der sie einen soll.«
    Arlette schüttelte sich. »Pest! Krieg! Gewalt! Gibt es denn nichts Erfreulicheres zu berichten, liebe Polly? Wir waren England so lange fern, und die Nachrichten, die Westindien erreichten, waren oftmals mehr als spärlich.«
    Polly produzierte kunstvolle Rauchringe. »Ja und nein, man sagt, unsere Jungfräuliche Königin hätte sich verliebt.«
    »Nanu? Und wer ist der Glückliche?« Arlette beugte sich neugierig vor. Wie alle Frauen lebte sie beim Thema Liebe auf. Mit der leichten Röte, die der Wein in ihr Gesicht gezaubert hatte, sah sie phantastisch aus.
    »Der Herzog von Alençon.«
    »Der Herzog von Alençon? Aber der ist doch …«, Arlette unterbrach sich und rechnete nach, »zwanzig Jahre jünger als sie?«
    »Und er ist ein Valois. Sie nennt ihn zärtlich
Frog
, weil die Franzmänner so gerne Froschschenkel essen. Man munkelt sogar, dass sie ihn heiraten will, und ein Kind will sie auch von ihm haben.« Polly wirkte auf einmal recht unglücklich. Sie dachte wie die meisten und wollte keinen Franzosen an der Seite ihrer Königin sehen – eine Meinung, die sich in nichts von der des Ersten Staatssekretärs Englands, William Cecil, unterschied.
    »Na, das ist aber eine Überraschung.« Arlette, selbst gesegneten Leibes, versuchte sich in die Lage der Königin zu versetzen. »Ihre Majestät wird doch in wenigen Tagen, am 7. September, fünfundvierzig, und dann will sie noch ein Kind?«
    »Ja, es ist nicht zu verstehen.« Polly klopfte die Pfeife auf einem leeren Teller aus. Entschlossen schob sie die unerfreulichen Gedanken beiseite. »Doch bis jetzt hat der Herzog nicht um ihre Hand angehalten, und vielleicht wird er es ja auch nicht tun. Kommen wir zu Angenehmerem. Was haltet Ihr davon, Arlette, ein wenig von meinem Marzipangebäck zu probieren? Ich habe es für besondere Anlässe aufgehoben.«
    »Eine wundervolle Idee, obwohl ich kaum noch einen Bissen hinunterbringe.«
    »Fein. So, und ihr Burschen«, wandte sie sich an die Freunde, »ihr trinkt doch sicher noch einen steifen Brandy?«
    Wie nicht anders zu erwarten, fand ihr Vorschlag uneingeschränkte Zustimmung.
    Später dann, als alle satt und wohl gestärkt waren, drehte die Unterhaltung sich um die kleinen Sorgen und Freuden des Alltags, und irgendwann, es ging schon auf Mitternacht zu, unterdrückte Arlette ein Gähnen und sagte: »Nehmt es mir nicht übel, aber wenn ich nicht umgehend ins Bett komme, schlafe ich hier auf der Bank ein.«
    Vitus sprang auf. »Ich begleite dich, Liebste.«
    »Ach, lass nur.« Sie küsste ihn sanft. »Ihr Männer wollt sicher noch ein bisschen reden.« Und zu Polly: »Es war ein wundervoller, harmonischer Abend, Polly. Es tut gut, dass es Menschen wie dich gibt.« Und ehe die Wirtin sich’s versah, hatte auch sie einen Kuss bekommen.
    »Ahem, ja, so.« Polly war aufs höchste verlegen, wollte sich aber nichts anmerken lassen. »Gute Nacht, Arlette … Und ihr Burschen? Noch einen Brandy?«
    Der Zwerg gähnte ausgiebig und rieb sich die Äuglein. »Gramersi, nein, Frau Zapfhenne.«
    »Ganz meinerseits«, pflichtete der Magister bei, »dein Brandy ist zwar aller Ehren wert, aber ich habe ein Gefühl, als hätte ich Blei in den Knochen. Werde mich ebenfalls aufs Ohr legen.«
    Kurz darauf waren nur noch Polly und Vitus in der Schankstube, denn auch Sue und Ann, die beiden Küchenmägde, hatten sich zur Ruhe begeben. Polly stopfte sich die nächste Pfeife. Sie tat es gründlich und mit geübten Fingern, und als sie den würzigen Tabak in Brand gesetzt hatte, sagte sie: »Danke für die Parfumkugel, Gabriel. Die war doch von dir, nicht wahr?«
    »Ja, Polly, die war von mir.«
    »Hm. Es ist alles so gekommen, wie ich’s dir gesagt habe, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Du hast Arlette gefunden, und sie vergöttert dich, das sieht ein Blinder mit dem Krückstock.«
    »Ja, sie liebt mich. Und ich liebe sie. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr.«
    »Das brauchst du auch nicht.« Polly erhob sich, grub die Finger in Vitus’ Arm und sagte: »Du bist ein Glückspilz, Gabriel, ein verdammter Glückspilz.«
    Dann ging sie.
     
    Polly stand vor ihrer Herberge, Trauer in den Augen und ein wohl verschnürtes, mit einer Schleife versehenes Päckchen in der Hand. Neben ihr hatten sich Sue und Ann aufgebaut, deren Gesichtern man ansah, dass

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