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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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genau neben ihr gestanden! »Jetzt reicht’s aber, du vermaledeiter Possenreißer!« Schnaufend kam sie hoch und stürzte sich auf den Mann, der lachend die Flucht ergriff.
    Vitus drohte dem Winzling scherzhaft mit dem Finger. »Du hast der Köchin aber übel mitgespielt.«
    »Wiewo? Der Bratwachtel schad das nix.«
    »Na, mach, was du willst.« Vitus dachte bei sich, dass der Gnom damit gar nicht einmal so Unrecht hatte, und zog Arlette und den Magister weiter. Sie kamen zu den Musikern, die auf einem eigens hergerichteten Tanzboden standen und ihre Fideln, Lauten, Trommeln und Flöten nach Kräften bearbeiteten. Eben hatte Keith mit Marth einen Tanz beendet und wandte sich nun atemlos ab, um für sich und die Magd etwas zu trinken zu holen, da entdeckte er Vitus und rief:
    »Oh, Sir, äh … Mylord. Ich habe Euch gar nicht kommen sehen.«
    »Lass dich nicht stören, Keith.«
    »Danke, Mylord. Ich kann Euch sagen, dass es Odysseus gut geht, und wenn Ihr ihn mal reiten wollt …«
    »Danke, Keith, ich melde mich, wenn es so weit ist.«
    »Überhaupt ist in den Stallungen alles in Ordnung. Ich habe alles so gemacht, wie es der alte Pebbles immer gehalten hat, Mylord.«
    »Gut, gut. Ich wusste, dass du einen guten Stallmeister abgeben würdest.« Vitus’ Blick fiel auf Marth, die sich an Keith schmiegte. In der Bewegung lag etwas Liebevolles, Vertrautes. Sollte sich hier eine zweite Hochzeit anbahnen? Nun, Keith war Manns genug, darüber zu reden, wenn die Zeit gekommen war. »Doch jetzt macht weiter, lasst euch durch uns nicht ablenken.«
    Als sie sich entfernten, rief Arlette plötzlich aus: »Das hätte ich fast vergessen! Pollys Abschiedsgeschenk, das ich erst am Geburtstag der Königin öffnen sollte. Ich habe es in meiner Ankleidekammer.«
    »Wir lassen es holen, Liebste.«
    Arlette sah sich um und erkannte, dass sich inzwischen auch die Diener auf dem Tanzboden vergnügten, selbst der blasierte Hartford, der ihnen eigentlich zugeteilt war, befand sich darunter. »Ach nein, wir gehen selbst. Es kann nicht schaden, dem Trubel für eine Weile zu entfliehen. Außerdem«, sie blickte schelmisch, »ziemt es sich nicht, dich in aller Öffentlichkeit zu küssen, und genau das wünsche ich mir schon die ganze Zeit.«
    »Deine Argumente überzeugen mich, besonders das letzte«, erwiderte Vitus lächelnd.
    »Mich auch, mich auch«, beeilte der kleine Gelehrte sich zu versichern. »Lasst euch durch mich nicht abhalten, ich stiefele zurück zum Tanzboden. Irgendwer sagte vorhin, die Schwester von Catfields Braut wäre auch hier. Wenn ja, will ich sehen, ob sie eine Galliarde auf die Bretter bringt.«
    Oben im Ankleidezimmer nahm Arlette das Päckchen aus ihrer Reisetasche und löste die Schleife. »Was wohl darin ist?«
    »Du wolltest mich küssen.« Er trat hinter sie und legte seine Hände auf ihre Schultern.
    »Gleich, Liebster, ich bin so gespannt, es gibt nichts Schöneres, als Pakete zu öffnen. Nun sieh dir das an! Es ist Marzipangebäck, eine ganze Schachtel voller Marzipangebäck. Komm, wir essen jeder ein Stück und denken dabei an Polly.«
    »Und an die Königin.« Er nahm eines und betrachtete es. »Besonders beeindruckend ist es nicht. Das Marzipan ist schon grau geworden und ziemlich fest.« Er kostete. »Aber drinnen ist es schön weich.«
    Arlette nickte. »Es ist wie Polly selbst. Raue Schale, weicher Kern. Dass sie so ist, war mir sofort klar, als ich sie das erste Mal sah. Frauen erkennen so etwas gleich.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Und jetzt möchte ich dich küssen.«
     
    Montag war der Tag, der sich beim Gesinde keiner großen Beliebtheit erfreute. Zu sehr war der Sonntag mit seinem Müßiggang noch allen im Gedächtnis. Dennoch wurde sowohl auf dem Schloss als auch auf dem Gut schon beim ersten Hahnenschrei mit der Arbeit begonnen. Etwas anderes wäre bei Catfield undenkbar gewesen.
    Das Wetter war nicht mehr so schön wie an den vergangenen Tagen; die Sonne versteckte sich hinter Regenwolken, und ein böiger Wind fegte aus Nordwest heran. Vitus hatte, in warme Kleidung gehüllt, den ganzen Vormittag im Freien verbracht. An der Seite von Catfield war er über die Stoppelfelder geritten, hatte das Weideland begutachtet, auf dem Rinder und Schafe standen, hatte die Heu- und Weizenernte inspiziert, war anschließend über das weitläufige Gutsgelände geschritten, hatte dabei die Vorräte an Hack- und Hülsenfrüchten geprüft, vom Schinken in der Rauchkammer gekostet, hatte Geräteschuppen und

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