Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Gutsschmiede besucht, danach die Viehunterkünfte und die großen Pferdestallungen, in denen Keith das Sagen hatte. Am Ende war er nicht umhin gekommen, Catfield und Keith, aber auch vielen anderen, ein uneingeschränktes Lob auszusprechen. Gut und Schloss waren tadellos in Schuss, die Leute, das merkte man, waren mit dem Herzen bei der Arbeit.
    Catfield hatte sich über Vitus’ anerkennende Worte sehr gefreut, bevor er sich, wie bei ihm üblich, zurückzog, um in seinem Kontor Schreibarbeiten zu erledigen.
    Jetzt, am frühen Nachmittag, saß Vitus im Grünen Salon und nahm mit Arlette und dem Magister eine Vesper ein. Der Zwerg war nicht anwesend. Die Vermutung lag nahe, dass er sich in der Küche bei Mrs Melrose herumtrieb, dem Ort, wo man für sie eine leckere Kaninchenpastete, etwas Obst und einen Krug Ale vorbereitet hatte.
    Vitus zerteilte gerade eine Birne, als Hartford erschien und einen unerwarteten Besucher anmeldete: »Es ist der Advocatus Hornstaple aus Worthing, Mylord«, sagte er mit einer leichten Verbeugung. »Ich habe ihm schon bedeutet, dass Ihr beim Mahl seid und gewiss nicht gestört werden wollt, aber er ließ sich nicht abweisen.«
    Vitus tauschte einen Blick mit Arlette und dem Magister. Er hätte nicht zu sagen vermocht, warum, aber ein ungutes Gefühl beschlich ihn. »Nun, in der Tat kommt der Advocatus nicht sehr gelegen, aber wenn es denn so dringend ist, gewähre ihm Einlass.«
    »Ich habe mir schon erlaubt, näher zu treten.« Hornstaple stand in der Tür, wichtigtuerisch wie eh und je.
    »Was verschafft uns die Ehre Eures Besuchs?« Vitus verbarg seine Verärgerung über das unangebrachte Benehmen. Arlette, die ebenfalls Mühe hatte, ein Stirnrunzeln zu unterdrücken, meinte: »Ihr müsst gewichtige Gründe haben, Sir, uns um diese Zeit und, äh … unter diesen Umständen aufzusuchen. Nehmt immerhin Platz.«
    Sie wies auf ein achtbeiniges Daybed mit Kopflehne. Es war ein Liege- und Sitzmöbel, das sowohl dem Wunsch nach Bequemlichkeit als auch der Mode entsprach, ebenso wie das Gestell, auf dem Arlette saß: Es handelte sich um ein Caquetoire, einen tragbaren Frauenstuhl mit bequemen Armlehnen, der nach vorne hin breiter wurde, um das Sitzen in weiten Frauenröcken zu ermöglichen.
    »Nun, ahem«, Hornstaple ordnete umständlich seine Kleider, bevor er sich niederließ, »die Sache, um deretwillen ich hier bin, erlaubt in ihrer Dringlichkeit keinen Aufschub.« Aus seinem Umhang fingerte er mehrere Pergamentrollen hervor, die er neben sich ablegte und in aller Ruhe ordnete.
    Geraume Zeit verging, nur unterbrochen vom Rascheln des Pergaments und dem Hüsteln Hornstaples. Der kleine Gelehrte blinzelte. »Wenn Eure Sache so eilbedürftig ist, Herr Kollege, warum sagt Ihr nicht geradeheraus, worum es sich handelt?«
    »So einfach liegen die Dinge nicht, Sir, bei Euch in Spanien mag man schneller mit dem Wort sein«, der Advocatus gestattete sich ein Lächeln, »in England pflegen wir die Sachverhalte erst zu bedenken, bevor wir sie aussprechen.«
    Vitus fragte: »Und? Habt Ihr sie bedacht?«
    »Jawohl – Sir.« Der Advocatus lächelte abermals, diesmal durchaus mit hämischem Ausdruck. »Wie Ihr bemerkt habt, rede ich Euch mit ›Sir‹ an, obwohl, wie man hört, Ihr Euch schon gern mit ›Mylord‹ ansprechen lasst.«
    »Ihr könnt mich anreden, wie Ihr wollt, Hornstaple, Titel – außer dem des
Cirurgicus Galeonis
 – bedeuten mir nicht viel. Sagt meinetwegen ›Sir‹ oder ›Cirurgicus‹, wenn Ihr Euch dabei wohler fühlt.«
    »Nun – Sir –, es geht hierbei keineswegs um mich, sondern vielmehr um die Frage, ob Ihr dem Gesetz nach ein Lord seid, denn nur ein solcher hat die entsprechenden Privilegien, und nur ein solcher darf sich mit ›Mylord‹ anreden lassen.«
    »Das sind Binsenweisheiten, Hornstaple.« Vitus begann sich ernsthaft über den Mann zu ärgern. »Nach dem Tod meines Großonkels wäre Thomas Collincourt der nächste Träger der Peerswürde gewesen, aber Thomas ist tot, ermordet auf Roanoke Island, somit bin ich der letzte männliche Collincourt. Ich gebe zu, dass ein winziger Zweifel an meiner Identität seine Berechtigung hat, und so lange darf mich jeder anreden, wie er will, aber das ist reine Theorie.«
    »Nun – Sir –, dass Thomas Collincourt auf Roanoke von Wilden ermordet wurde, pfeifen mittlerweile die Spatzen von den Dächern. Ich darf Euch dennoch darauf aufmerksam machen, dass Thomas Collincourt dem Gesetz nach lebt, jedenfalls noch so lange,

Weitere Kostenlose Bücher