Der Chirurg von Campodios
Pumpenschwengel. »Allzeit ein glückliches Händchen, Herr Kollege, und, wenn Ihr auf See seid, eine Handbreit Wasser unter dem Vorsteven!«
»Das ist’s, worauf es ankommt. Macht’s gut, alter Junge!«
»Schließe mich den Worten meiner Vorredner an.« Woodhalls Glückwünsche fielen bei weitem nicht so freudig aus, dennoch drückte auch er Vitus’ Hand.
»Gentlemen, ich danke Euch. Ich danke Euch! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Höchstens, dass ich am liebsten schon morgen anheuern würde …«
»Was Ihr nicht sagt!« Banester stemmte angenehm überrascht die Fäuste in die Hüften. »Wie gut, dass schon gestern drei Empfehlungsschreiben des Collegiums hinausgegangen sind, in denen wir Euch Eure außerordentlichen Fähigkeiten bescheinigen: eines an die Herren des Hansekontors im Stalhof, eines an die Admiralität Ihrer Majestät und eines an die Londoner Kaufmannschaft. Und alle von uns persönlich unterschrieben und gesiegelt.«
»Wie auch die Urkunde, die Ihr nun endlich übergeben solltet, Banester«, grinste Clowes.
»Gemach, gemach!« Der Hausherr lehnte sich ächzend über den Tisch und ergriff das Dokument. Noch einmal überflog er den Inhalt, eine kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn, und sein Blick streifte Woodhall. »Es gibt da noch etwas, das ich Euch sagen möchte, Vitus von Campodios: Wenn es nach mir gegangen wäre, hättet Ihr das Examen sogar
summa cum laude
bestanden, aber unsere Benotung muss, wie Ihr wisst, einstimmig erfolgen, äh … nun ja. Nochmals meinen herzlichen Glückwunsch!«
»Ergebensten Dank, Sir.« Vitus nahm das dicht beschriebene, schwere Dokument und hielt es auf Armeslänge vor sich. Zwei in Versalien geschriebene Wörter sprangen ihm sofort ins Auge; es waren die Wörter, für die er gekämpft hatte:
CIRURGICUS GALEONIS .
Der Stallbursche Keith
»Hier, eine Möhre, weil du so tapfer warst.«
O dysseus hat ein geschwollenes Vorderbein. Sieh dir das mal an, Keith.« Catfield war vor den Stallungen des zu Greenvale Castle gehörenden Gutes abgesessen und übergab die Zügel des schwarzen Hengstes. »Anschließend kommst du in meine Schreibstube und berichtest mir.«
»Jawohl, Sir!« Keith, ein sommersprossiger, drahtiger Neunzehnjähriger, dessen hervorstechendstes Merkmal seine abstehenden Ohren waren, nickte eifrig. Er war um einen strammen Tonfall bemüht, denn er wusste, dass mit Catfield nicht gut Kirschen essen war, wenn die Antwort auf einen seiner Befehle zu lässig ausfiel. Vielleicht lag das daran, dass der Mann früher einmal Seeoffizier gewesen war. »Wird gemacht, Sir!«
Keith klopfte Odysseus den Hals und beobachtete, wie Catfield sich entfernte. Der Mann war erst seit wenigen Monaten Gutsverwalter, doch beileibe kein schlechter, wie man zugeben musste, denn er war von morgens früh bis abends spät auf den Beinen. Wenn er nicht draußen die Felder, Wälder und Weiden inspizierte, sah er in den einzelnen Gebäuden nach dem Rechten, und wenn er das nicht tat, fand man ihn, emsig arbeitend, in seiner Schreibstube. Es schien, als wäre er immer im Dienst. Trödeleien und Nachlässigkeiten, wie sie während der alten Gutsverwaltung häufig an der Tagesordnung gewesen waren, duldete er nicht.
Den Altgedienten unter dem Gesinde war es zunächst sauer angekommen, dass man ihnen fortwährend auf die Finger sah, besonders Mrs Melrose, der launischen Köchin, doch Keith dachte anders. Er arbeitete gern und geschickt, und die Welt war für ihn in Ordnung, solange er nur bei den Pferden sein konnte.
»Komm, Odysseus, lass mal sehen, was du da hast.« Er griff nach dem Vorderbein des Hengstes und strich mit der Hand sacht darüber. Die Adern fühlten sich gut durchblutet und normal an, keine schien verstopft zu sein.
»Hm, das ist es nicht.« Er tastete das Röhrbein ab und achtete darauf, wie druckempfindlich der Hengst reagierte. Odysseus schnaubte. Keith bewegte das Bein vorsichtig hin und her. Der Hengst schnaubte abermals. »Ich tippe auf eine Sehnenentzündung, mein Alter.«
Er führte das Pferd in den Stall, nahm den Sattel ab und rieb es trocken. Dann begann er mit der Behandlung. Er holte frisches, kaltes Wasser vom Brunnen und kühlte die Stelle mit einem Lappen, den er wieder und wieder anfeuchtete. Geraume Zeit später, als er das Gefühl hatte, das Bein sei kalt genug, legte er einen Druckverband an. Dass er dies konnte, verdankte er dem jungen Herrn Vitus, der es ihm einmal gezeigt hatte. »Du bleibst ein paar Tage im
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