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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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der Wahlspruch unserer geliebten Königin, der ein langes Leben beschieden sein möge. Doch wie ich sehe, habt ihr euch nicht daran gehalten. Ihr dürftet mehr eingesteckt als ausgeteilt haben.«
    In der Tat boten die Männer ein Bild des Jammers. Einer von ihnen hielt sich fortwährend den rechten Arm, der schlaff und kraftlos herabhing. Die Nase des zweiten war blau angelaufen und geschwollen, und der dritte, es war Pigger, hatte einen Finger, dessen oberstes Glied in unmöglichem Winkel abstand. Alle bluteten aus mehreren Schlag- und Risswunden. Piggers Kopf zierte zudem eine Riesenbeule.
    »Habt ihr Geld dabei, ihr Halunken?«, fragte Banester. »Glaubt ja nicht, dass ihr umsonst verarztet werdet.«
    Die drei schüttelten die Köpfe.
    »Das dachte ich mir. Nun, dann nennt mir eure Namen, damit Harvey sich morgen oder übermorgen das Honorar von euch holen kann.«
    Die drei schwiegen.
    »Die Namen, zum Donnerwetter!« Banester war zwar Arzt aus Berufung, und er hatte schon oftmals Patienten umsonst behandelt, doch hasste er es, für dumm verkauft zu werden. Natürlich hatte der Abschaum da vor ihm Geld, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Männer wie diese kamen immer wieder zu ein paar Pennies, sei es durch Aushilfsarbeiten, Diebstahl oder Betrügereien. Nur zogen sie es vor, das Geld zu versaufen, und genau das sah Banester nicht ein.
    Noch immer schwiegen die drei. Pigger schielte ängstlich auf Vitus, von dem er wusste, dass er seinen Namen kannte.
    »Nun, Banester«, meinte Woodhall unverhofft, »bis dieses Geschmeiß es sich überlegt hat, könnte ich mit der Befragung des Prüflings fortfah …«
    »Nein! Das wird, äh … nicht nötig sein, ich meine, die drei werden ihre Namen sagen, das wäre ja noch schöner, und überhaupt …« Banester wusste nicht recht weiter.
    Vitus rettete die Situation. »Sir, wenn Ihr einverstanden seid, behandele ich die drei Burschen erst einmal so. Der eine von ihnen«, er wies auf Pigger, »ist mir persönlich bekannt. Ich bin sicher, dass er Euch bis heute Abend das Honorar für alle gebracht haben wird. Nicht wahr, Pigger?«
    Pigger nickte mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Ihr habt seltsame Bekannte, wie ich feststellen muss. Doch ich bin einverstanden.« In Banesters Stimme schwang Erleichterung mit. »Bitte beginnt mit Eurer Behandlung bei diesem Pigger und schildert, was Ihr im Einzelnen macht.«
    »Jawohl, Sir. Tritt vor, Pigger.« Vitus nahm als Erstes die Hand und betrachtete das abstehende Fingerglied von allen Seiten. Dann befahl er Pigger, es gerade zu machen. Der versuchte es, doch es gelang ihm nur halb. »Tut das weh?« Vitus zog sachte daran.
    Pigger schrie auf.
    »Nun, Gentlemen, die Diagnose ist klar. Es handelt sich um eine Luxation im oberen Bereich des Ringfingers. Die Behandlung besteht darin, dass ich das letzte Fingerglied zunächst geraderichte und anschließend den Finger fixiere.« Unter den interessierten Blicken des Collegiums und Piggers lauten Klageschreien nahm Vitus den ersten Schritt vor. Dann, nachdem er sich Verbandstoff hatte geben lassen, setzte er seine Ausführungen fort: »Das Fixieren geschieht durch Zusammenbinden mit dem Mittelfinger.«
    »Einfach, aber probat«, lobte Clowes, der mittlerweile wieder wach war. »Das Ruhigstellen beweglicher Teile ist eine wichtige Funktion des Verbands, wie Ihr heute Vormittag richtig erwähntet.«
    »Jawohl, Sir! Danke, Sir!«
    »Wie lange muss der Finger fixiert bleiben?«
    »Ungefähr zehn bis vierzehn Tage, Sir.«
    »Recte.«
    Nachdem Vitus auch Piggers andere Verletzungen, darunter die Ritzwunde durch seinen Degen, die Beule auf dem Kopf sowie etliche Quetschungen und Prellungen, versorgt hatte, fragte Banester: »Welchen der Burschen nehmt Ihr als Nächsten dran, Herr Prüfling?«
    »Diesen, Sir.« Vitus wies auf den Mann mit der stark geschwollenen Nase.
    »Warum?«
    »Weil er die größeren Schmerzen haben dürfte, Sir.«
    »Gut, fangt an.«
    Die Vorgehensweise bei der geschwollenen Nase ähnelte der beim gebrochenen Finger. Auch hier betastete Vitus zunächst vorsichtig die Verletzung. Dann verkündete er: »Die Nase ist gebrochen, Gentlemen, zudem ist sie verformt. Wie beim Fingerglied werde ich sie wieder in die richtige Position bringen und anschließend dafür sorgen, dass sie so verheilt.«
    Er begann die Nase zu richten. Behutsam drückte er zunächst die Bruchstücke des Nasenbeins wieder in die korrekte Lage, wobei es ein-, zweimal hörbar knackte und der Bursche

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