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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Hausherrn leuchten. »Ich darf darauf zählen, dass Ihr mithaltet, Gentlemen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, begab er sich eilig in Richtung Ausgang. Kurz bevor er ihn erreichte, drehte er sich nochmals um. Sein Blick fiel auf Vitus, und ein Lächeln umspielte seine Lippen:
    »Auch Ihr seid an meiner Tafel willkommen – Herr Kollege!«
     
    »Wie kann ein einzelner Mann nur so viel essen!« Vitus hielt sich stöhnend den Bauch, der sich, dank Banesters Gastlichkeit, gewaltig spannte. Ein ums andere Mal war er genötigt worden nachzunehmen. »Was der Professor in sich hineinzuschlingen vermag, geht auf keine Ochsenhaut.«
    »Was gab’s denn?« Der Magister bemühte sich, interessiert zu klingen. Er und Enano hatten den ganzen Nachmittag in der Gaststube des Black Swan verbracht und sich, eingedenk Vitus’ Ermahnungen, in Wort und Tat zurückgehalten. Als Ausgleich dafür hatte das eine oder andere Bier durch ihre Kehle laufen müssen, wodurch der Kopf ihnen schwerer und schwerer geworden war.
    Vitus stöhnte abermals. »Es gab nichts, was es nicht gab. Eine Suppe von Bohnen, Erbsen und Möhren …«
    »Bauerndegen, Böllerlein un Ziehlinge? Ein Süppchen davon würd auch mir jetzt schmerfen«, unterbrach müde der Zwerg.
    »Na ja, dann Fleisch, Pastete, geröstete Fische und so weiter und so weiter …«
    »Fette Mast un gefünkelter Grätling, wui, wui …« Der Winzling schlief schon fast.
    Der Magister gähnte. »Will nur hoffen, dass sich die Warterei gelohnt hat. Wenn’s nach mir gegangen wäre, hättest du diese Prüfung überhaupt nicht gemacht. Hast du wenigstens bestanden?«
    »Ich bin nicht sicher. Banester und Clowes waren mir gewogen, bei Woodhall allerdings liegt der Fall anders. Der Mann ist einer von jenen, die es nicht gerne sehen, wenn außer ihnen auch andere etwas wissen. Immerhin hat der Professor mich ›Herr Kollege‹ genannt, als er mich anschließend zum Essen einlud. Andererseits: Vielleicht war es auch nur ein Scherz. Übermorgen wissen wir mehr.«
    »Übermorgen?«
    »Übermorgen. Denn morgen muss das
Collegium medicum
beraten und, sofern ich bestehe, die Urkunde ausfertigen lassen. Also, fassen wir uns in Geduld.«
    »Geduld«, seufzte der Magister, »ist nicht gerade meine Stärke. Aber das weißt du ja.«
     
    Banester schob den Totenschädel mit den Trepanationslöchern zur Seite, legte an die Stelle einen Stoß Papiere und nahm umständlich am Eichentisch Platz. Harvey, der seinem Herrn den Stuhl unter das mächtige Gesäß geschoben hatte, entfernte sich tänzelnd. Er war bei dem, was kommen würde, nicht vonnöten. Der Hausherr blätterte in seinen Unterlagen, während Clowes zu seiner Linken und Woodhall zu seiner Rechten keine Miene verzogen.
    Geraume Zeit verging.
    Vitus, der den dreien gegenübersaß, klopfte das Herz bis zum Hals. Er wusste, dass wichtige Ereignisse ihre Vorbereitung brauchten und dass Hast der Würde eines Examinators nicht anstand. Doch warum raschelte der Professor so lange mit den Dokumenten? War etwas nicht in Ordnung? Und warum blickten die Co-Examinatoren so steinern?
    Gab es Zweifel an seiner Leistung?
    Die kritischen Fragen und Bemerkungen von Woodhall fielen ihm ein. Hatte der Mann sich dafür gerächt, dass er, Vitus, nicht immer so ergeben reagiert hatte, wie es sich vielleicht geziemt hätte? Hatte Clowes es doch nachteiliger bewertet, dass er vergessen hatte, bei den Amputationsschritten das Lösen des Abbinderiemens zu erwähnen?
    Hatte, hätte, hatte … Heilige Mutter Gottes, lass mich nicht durchgefallen sein!
    »Verzeiht, dass es etwas länger dauerte.« Banester hüstelte kurz. Sein Katarrh war heute schon wesentlich besser. Wie überhaupt dieser Tag zu bester Laune Anlass gab. Die Sonne schien, es ging auf zwölf, und ein reichhaltiges Mahl von Mrs Snapper lockte. Dazu kam, dass die Urkunde, deren Inhalt er eben noch einmal sorgfältig überprüft hatte, von sehr erfreulichem Inhalt war. »Aber gut Ding will Weile haben. Und dieses Ding«, er hielt eine schwere, pergamentene Urkunde hoch, »ist nicht nur gut, sondern ausgezeichnet.«
    Er erhob sich schnaufend, und seine beiden Co-Examinatoren taten es ihm gleich.
    Auch Vitus stand auf.
    »Ihr, Vitus von Campodios, habt das Examen zum Galeonenchirurgen vor diesem Ehrenwerten
Collegium medicum
mit
magna cum laude
bestanden. Ich gratuliere Euch herzlich, willkommen im Kreis der Skalpellkünstler!«
    Banester schritt um den Tisch herum und bearbeitete Vitus’ Rechte wie einen

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