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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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sich das Anheuern eines Segelmachers gespart hatte, ferner diverses Frachtgut, bestimmt für die Neue Welt und begleitet von des Kapitäns sehnsüchtigem Wunsch, es möge dort überreichen Profit erbringen.
    Darunter befanden sich metallene Geräte aller Art, wie Hacken, Schaufeln, Hämmer, Zangen, Erntegeräte, ferner zwölf fest verzurrte Vierpfünderrohre aus feinster englischer Bronze – sie würden drüben einen besonders guten Preis ergeben –, dazu ein paar Webstühle, etliche Kleidungsstücke für Klein und Groß, Schuhe, Tücher, Hüte … kurzum alles, was man jenseits des Ozeans nicht ohne weiteres bekam und deshalb gut versilbern konnte. Den Gipfel der Kostbarkeit bildete jedoch ein Klavizimbel, ein Kielklavier von hellem, metallischem Klang, goldverziert und edel, das sich allerdings nur in immer gleicher Tonstärke spielen ließ, egal, wie stark man auf die Tasten schlug.
    »Nanu, was ist denn das?« Der kleine Gelehrte leuchtete den seltsamen Gegenstand neugierig ab.
    »Ein Musikinstrument, Herr Magister«, erwiderte der Steuermann, der sich davon überzeugte, dass es nach wie vor sicher vertäut war. »Wahrscheinlich für eine reiche, nach Kultur hungernde Pflanzersfrau bestimmt. Bitte folgt mir weiter.«
    Er ging voran, umkurvte etliche versiegelte Weinkrüge, mehrere Kisten mit Büchern, Säcke mit Samen und kam endlich zu einigen kleineren Fässern. »Hierin befinden sich zum größten Teil die Nahrungsmittel der Mannschaft. Was das im Einzelnen ist, Gentlemen, muss ich nicht lange erklären. Vielleicht nur so viel«, er wies auf ein streng riechendes Fässchen, »darin ist Käse, doch beileibe kein normaler. Es handelt sich um Schafskäse, und zwar um jenen der billigsten Sorte. Glaubt mir, der jetzige Geruch ist nichts gegen den, der Euch in wenigen Wochen entgegenschlagen wird.«
    Ó Moghráin machte eine Pause und dachte daran, wie schmackhaft seine Mutter Schafskäse zuzubereiten verstand. In seinen Kindertagen waren sie zu Hause ihrer dreizehn gewesen: der Vater, der von früh bis spät schuftete, seine Mutter, die Seele der gesamten Familie, und seine zehn Geschwister. Die Ó Moghráins hatten nie viel ihr Eigen genannt, doch hatten sie stets satt zu essen gehabt. Das änderte sich schlagartig, als Ó Moghráin gerade elf Jahre alt geworden war. Von einem Tag auf den anderen hatte die Fieberseuche auf dem Hof Einzug gehalten. Sie war über das Vieh hergefallen, hatte es schwach und lahm werden lassen und Blasen auf Zunge, Euter und Klauen getrieben. Wenige Tage später waren alle Tiere tot gewesen.
    Da der Vater kein Geld für neues Vieh gehabt hatte, war im Winter der Hunger gekommen. Er hatte in ihren Gedärmen gewütet und die Kinder entkräftet. Doch sie hatten die Zeit durchgestanden.
    Im darauf folgenden Jahr war es noch schlimmer gekommen. Der Vater hatte die Pacht nicht mehr entrichten können. Schulden mussten gemacht werden, und im nächsten Winter, einem besonders harten und langen, waren zwei von Ó Moghráins Schwestern gestorben. Er hatte gewusst, dass seine Eltern ihn nie weggeschickt hätten, und trotzdem war er, erst zwölfjährig, fortgegangen. Fort in die Welt, um seiner Familie als Esser nicht länger zur Last zu fallen. Der Abschied hatte ihm schier das Herz gebrochen, denn er liebte die Seinen. Und er liebte dieses Land – mit jener stillen Kraft, die mehr bedeutet als jedes beschreibende Wort.
    Sein Weg hatte ihn auf die Ostseite der grünen Insel geführt, nach Belfast, wo er als Schiffsjunge auf einem Küstensegler anheuerte. Die erste Zeit an Bord war sehr hart gewesen, denn er war zart für sein Alter. Aber es hatte regelmäßig zu essen gegeben.
    In späteren Jahren hatte er sich Schritt für Schritt hochgedient, hatte sich mit der Kunst der Navigation und des Kartenlesens beschäftigt und es in diesen Disziplinen zur Meisterschaft gebracht. Zweimal schon war er als Steuermann in die Neue Welt gefahren, und jedes Mal hatte er die Schiffe sicher hin- und auch wieder zurückgeführt. Dies nicht zuletzt, weil er an Bord nichts dem Zufall überließ – und alles lieber einmal mehr als einmal zu wenig kontrollierte.
    »Herr Magister, haltet die Laterne bitte hierhin.« Ó Moghráin verhielt mittschiffs und deutete auf einen gewaltigen Holzblock, der ihm bis zur Hüfte reichte. Sorgfältig kontrollierte er ihn auf Risse. »Das nennen wir die Mastspur, sie ist direkt mit dem Kiel unter uns verbunden und bildet das Endstück, in dem der Hauptmast ruht.«
    Die

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