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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Augenblick an von den anderen getrennt hast. Möchte nicht wissen, wer alles sich sonst schon angesteckt hätte.«
    »Pssst, nicht so laut, Magister! Matrosen haben vor nichts auf der Welt so viel Angst wie vor Syphilis und ansteckendem Fieber. Und nun komm, die anderen Patienten warten.« Ein mitleidiger Blick streifte noch einmal den Kranken. Laut sagte Vitus: »Kopf hoch, Barks, nimm nur weiter das Kantharidin und lass dir reichlich Frischwasser geben, so viel du trinken kannst. Jetzt, nach unserem Funchal-Aufenthalt, dürfte ja genügend vorhanden sein.«
    Barks murmelte etwas Unverständliches und wickelte sich fester in seine Decke.
    »So, und nun wollen wir mal sehen, was unsere Alltagsfälle machen.« Vitus ging, den Magister im Kielwasser, zur anderen Seite der Mannschaftsunterkunft, wo schon eine Schlange geduldig dreinblickender Männer seiner harrte. Die Matrosen waren, wie alle Matrosen dieser Welt, für jede Unterbrechung ihres eintönigen, harten Dienstes dankbar, selbst auf die Gefahr hin, bei der Behandlung ihrer Zipperlein Schmerzen ertragen zu müssen. Mit einiger Zufriedenheit stellte Vitus fest, dass die Männer, wie alle anderen auch, gesundheitlich einen besseren Eindruck machten als noch vor wenigen Wochen. Es hatte sich gelohnt, dass er in Funchal auf eigene Kosten Gemüse und Fleisch an Bord bringen ließ – die Farbe in ihren Gesichtern, das fester gewordene Zahnfleisch und das Verschwinden der Hämatome bewiesen es.
    »Was macht dein Ekzem, Robson?«, fragte er den ersten Mann in der Reihe.
    »Ach, ’s geht so, Cirurgicus.« Der Matrose streckte seinen rechten Unterarm vor, dessen Haut auf ganzer Länge rau, rot und rissig aussah.
    »Juckt es noch so stark?«
    »Hmja, Sir, vielleicht ist’s ’n bisschen besser.«
    »Lass mal sehen.« Vitus beugte sich über den Arm. Die meisten Männer litten unter hartnäckigen Ekzemen oder Flechten. Sie nahmen es als gottgewollt hin, ähnlich wie die Plagen des Scharbocks. Vitus hatte schon in den ersten Tagen festgestellt, dass die Umstände, unter denen sie ihr Leben fristeten, dafür verantwortlich waren: das schlechte, eintönige Essen, die feuchte Luft unter Deck, das aggressive Salzwasser und die selten trocken werdende Leibwäsche. Es glich einem Wunder, dass die Mannschaft unter diesen Bedingungen noch einigermaßen Disziplin hielt – andererseits hatte sie keine andere Wahl, denn wer nicht spurte, schmeckte die Peitsche oder, schlimmer noch, wurde in Eisen gelegt.
    An der Ernährung konnte er auf die Dauer nichts ändern und ebenso wenig an der Tücke des Salzwassers, also hatte er die Leute dazu angehalten, ihre Hemden und Hosen so häufig wie möglich gegen trockene Kleidung zu wechseln, was aber leichter gesagt als getan war, denn die meisten besaßen nur das, was sie auf dem Leibe trugen. Außerdem hatte er, nach Absprache mit Gerald, verfügt, dass die Unterkunft tagsüber offen blieb – zumindest bei gutem Wetter. Ferner hatte er aus einem alten Segel einen trichterförmigen Windsack nähen und ihn so aufhängen lassen, dass er ständig eine frische Brise durch den Raum lenkte, zur Vertreibung des Miasmas – der giftigen Ausdünstungen in der Luft.
    Was noch zu tun blieb, und das täglich, war die eigentliche Behandlung der Männer. Da er in Ermangelung von saurer Molke keine Bäder in dieser segensreichen Flüssigkeit verordnen konnte, versuchte er, sich mit Kalkpulver sowie einer Mischung aus Wollfettcreme und Johannisöl zu behelfen. Beide Arzneien hatte er sich in Funchal besorgt. Robsons Ekzem war ein trockenes, weshalb Vitus ihm den Arm mit Creme einrieb. »Lass den Ärmel noch so lange aufgekrempelt, bis das Medikament vollends eingezogen ist.«
    »Jawohl, Cirurgicus. Danke, Cirurgicus.«
    Die feuchten Ekzeme behandelte Vitus mit Kalkpulver, immer getreu der Erkenntnis der großen Meister, nach der Feuchtes mit Trockenem und Trockenes mit Feuchtem bekämpft werden sollte.
    Neben den Ekzemen und Flechten waren Quetsch- und Risswunden, verursacht durch die tägliche Arbeit, die häufigsten Beschwerden. Als Vitus mit Hilfe des Magisters auch diese versorgt hatte, trat zu seiner Überraschung als letzter Patient der Steuermann Ó Moghráin vor.
    »Nanu, welch Überraschung! Ich hoffe, Euch fehlt nichts, Mister Ó Moghráin?«
    »Ich fürchte, ich muss Euch enttäuschen, Cirurgicus.« Ó Moghráin wies auf sein linkes Handgelenk, das ziemlich angeschwollen war.
    »Könnt Ihr die Hand bewegen?«
    Statt einer Antwort bog der

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