Der Chirurg von Campodios
haben.
»Haltet euch fest, Männer!«, schrie er hinunter. »Ich weiß nicht, wie stark die Druckwelle wird!«
Kaum waren seine Worte verklungen, als er drüben auf der
Gallant
einen Feuerball entstehen sah, und dann, nur einen Wimpernschlag später, folgte ein ohrenbetäubendes Donnern, das ihm fast die Trommelfelle zerriss.
Das musste das Ende der
Gallant
sein.
Ein Splitterregen flog in den Himmel, so gewaltig, dass manche Holzteile fast auf dem Deck der
Torment
landeten. Jawys Herz hüpfte. Ein Höllenspaß, das Ganze! Er spähte angestrengt hinüber, konnte aber beim besten Willen nichts ausmachen. Erst als die riesige schwarze Rauchwolke verflogen war, erkannte er, dass der Segler sich wider Erwarten noch über Wasser hielt. Allerdings mehr schlecht als recht. Der Bug tauchte bereits tief in die See, während das Heck, wie bei einer gründelnden Ente, steil aus dem Meer ragte.
»Tapfer, die kleine
Gallant
«, murmelte Jawy, nachdem er die erste Enttäuschung überwunden hatte. »Sie wehrt sich noch ein bisschen, aber es wird ihr nichts nützen. Früher oder später rauscht sie ab in die Tiefe.« Laut wandte er sich an seine Leute: »He, Männer, wie hat euch das gefallen?«
Die Antwort war ein zustimmendes Gebrüll.
»Hat Jawy das wieder mal gut hingekriegt?«
Abermals zustimmendes Gejohle.
»Na also. Das war’s!«, verkündete er zufrieden. »Jetzt geht’s mit vollen Segeln zurück in die Karibik! Drüben auf dem Wrack sind alle mausetot, dafür wette ich meinen Kopf, und der Rest ist für die Fische.«
Sein Kiefer knirschte voller Tatendrang.
Mit seiner Mutmaßung hatte Jawy sich gründlich geirrt, denn es gab einige wenige Augenpaare, die voller Hass und Verzweiflung dem davonsegelnden Piraten nachblickten.
Eines davon gehörte Vitus. Er war bei der Explosion wie von einer Riesenfaust gepackt und zwei Schiffslängen entfernt ins Meer geschleudert worden. Die Kälte der See hatte seinem halb bewusstlosen Zustand ein jähes Ende gesetzt. Er hatte gestrampelt, Wasser geschluckt und nach Luft gerungen, während es in seinen Ohren dröhnte und ein dumpfer Schmerz in seinem Hinterkopf wütete. Ansonsten war er, wie durch ein Wunder, unverletzt geblieben.
Als er prustend an die Oberfläche kam, hatte er zunächst nur die Trümmer der
Gallant
gesehen, doch dann war die
Torment of Hell
in sein Gesichtsfeld gerückt. Sie hatte bereits gewendet und lief mit steifgebraßten Segeln auf Westkurs davon.
»Warte, du Hundsfott, wie immer du heißt, wir sehen uns wieder, und dann gnade dir Gott.« Er hatte seine Faust aus dem Wasser gestoßen und dem Piraten verzweifelt hinterhergedroht. Nach einer Zeit mühsahmen Wassertretens war das Schiff plötzlich verschwunden. Ein großer, vorbeitreibender Gegenstand hatte sich zwischen ihn und die
Torment
geschoben. Der Gegenstand war hölzern, zweitürig und geschlossen, und er war einst im Besitz von Archibald Stout, dem Geizhalz, gewesen.
Es war das Schapp des Kapitäns. Und es war Vitus’ Rettung.
Mit großer Anstrengung hatte er sich bäuchlings auf den Schrank geschoben und es den Auftriebskräften des Holzes überlassen, ihn über Wasser zu halten.
Jetzt erst, nachdem er wieder zu Kräften gekommen war, fand er die Muße, sich umzublicken. Die Wellen waren übersät mit den Wrackteilen der
Gallant
, doch noch immer hielt das brave Schiff sich in unveränderter Stellung über Wasser. Links davon, vielleicht in hundert Fuß Entfernung, trieb das große Beiboot, allerdings mit dem Kiel nach oben, und auf dem Kiel saß – Jack, der Hahn.
Nur der Allmächtige mochte wissen, wie das Federvieh auf dem Beiboot gelandet war. Immerhin, es war Leben – das einzige, welches Vitus weit und breit ausmachen konnte. Er begann, mit den Händen paddelnd, auf das Boot zuzuhalten.
Er hatte wieder ein Ziel.
Der Magister und der Steuermann Ó Moghráin hatten ebenfalls überlebt.
Beide waren gegen Ende des Kampfes von mehreren Piraten in die Zange genommen und nach Backbord abgedrängt worden, wo sie jeden Augenblick den Todesstoß erwarteten: Ó Moghráin, weil er vor Erschöpfung nicht einmal mehr den Degen heben konnte; der Magister, weil er kurz zuvor seine Berylle verloren hatte.
Aber dann, völlig unerwartet, hatte man von ihnen abgelassen, denn alle Augen starrten wie gebannt zum Oberdeck, wo der Anführer der Piraten auf Vitus getroffen war – eine Auseinandersetzung, die der Magister schon nicht mehr hatte erkennen können. Ó Moghráin an seiner Seite
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