Der Chirurg von Campodios
schwitzt, ’s hab ich mein Lebtach noch nich gesehn.« Schwitzen, das wusste sie, war wichtig im Kampf gegen das Fieber, und sie war nahezu sicher: Wenn der kleine, zähe Mann so weitermachte, konnte er die Krankheit besiegen.
Dasselbe galt für Enano. Von ihm wusste sie wenig. Zwar hatte auch er im Fieber phantasiert, aber dabei fast ausschließlich Rotwelsch gesprochen, eine Ausdrucksweise, der sie nur bedingt folgen konnte. Dennoch war ihr nicht entgangen, dass der Zwerg ein Leben als Geächteter geführt hatte, bevor er den Cirurgicus und den Magister kennen lernte.
»Na, Winzbuckel, Stupsnase, Fischmündchen! Phoebe is da.« Sie hob sich den Zwerg wie ein Kind auf den Schoß. »Hab ’ne dicke Suppe gekocht, se wird dir ›schmerfen‹, wie? ›Schmerfen‹, ’s sagste doch immer, wenn’s schmeckt.«
Der Winzling antwortete nicht. Sie nahm ihm den Wickel ab und fühlte seine Stirn. Die Haut, umrahmt von rostroten Haarbüscheln, war heiß, aber nicht glühend heiß. »’s Fieber is schon ’n bisschen runter, dafür wett ich meinen Kopf, un sonst machste auch ’n ganz guten Eindruck. Wieso sprichste nich?«
»Wui, wui«, fistelte der Kleine schwach.
»Na bitte, ’s geht doch. Wennste erst wieder frech wirst, biste gesund. Freu mich fast drauf.« Sie flößte ihm Suppe aus dem von Phyllis inzwischen neu gefüllten Becher ein, wischte ihm das Mündchen ab und bettete ihn wieder an den Fuß des Masts. »Phoebe muss weiter. Bist wahrhaftich nich der Einzige, dem’s besch …, äh … dem’s schlecht geht, verstehste.«
»Gramersi.«
»Gramer – wie?« Phoebe, die sich bereits abgewandt hatte, drehte sich nochmals um. »Was heißt ’n das nu wieder?«
»Danke …«
»Nix zu danken. Hab’s gern gemacht.«
»… Frau Beischläferin.«
Phoebe stemmte die Arme in die Hüften. »Verdammichter Winzbuckel, ich schwör’s bei den Knochen meiner Mutter, wennste erst gesund bist, kannste was erleben!« Doch insgeheim gratulierte sie sich. Der nächste Patient, dem sie sich widmen musste, würde ihr nicht so viel Freude machen: Das war Bride.
Der Zimmermann lag backbords vor der Heckbank, hingekrümmt wie ein Wurm – und wie ein Wurm hatte er sich in den letzten Tagen auch vor Schmerzen gewunden. Immer wieder. Mit Bride stand es schlecht, ganz schlecht. Anfangs, drei oder vier Tage nach Ausbruch des Fiebers, hatte sie noch gehofft: Da war es ihm, wie auch den anderen, etwas besser gegangen, doch danach hatte es ihn richtig erwischt. Sie war der Meinung, dass er schon mehrere Tage kein Wasser gelassen hatte, und hielt das für ein schlechtes Zeichen. Vielleicht funktionierten seine Nieren nicht mehr, vielleicht lag es auch an etwas anderem, sie verstand nicht viel vom menschlichen Körper.
Während sie sich hinhockte und sich dabei möglichst klein machte, denn außer ihr und Bride befanden sich noch Bantry, Ó Moghráin und der Cirurgicus im Heckraum, nicht zu vergessen Hewitt, der an der Pinne saß, während sie sich also hinhockte und des Zimmermanns Kopf aufnahm, murmelte sie:
»Bist ’n armes Schwein, Bride.« Dann zog sie dem Kranken ein Augenlid hoch und blickte ihm forschend in die Pupille. »Trüb wie ’ne Auster«, stellte sie traurig fest. Sie begann ihn hin- und herzuwiegen, wie sie es mit allen tat, und sagte laut: »Hallo Bride, hier is Phoebe, Phoebe is hier, kannste mich hörn?«
Der Kranke dämmerte weiter vor sich hin.
»Hier is Phoebe, hallo!« Sie brüllte Bride fast ins Ohr, denn sie wollte unbedingt, dass er zu sich kam. Wer bei Bewusstsein war, war noch nicht tot.
Endlich zeigte Bride die Spur eines Erkennens. Seine Augen öffneten sich halb, und er stieß einen unverständlichen Laut aus. »Hhhäjm.«
Phoebe wertete das als Antwort. »Ich bin’s, Phoebe. Hab ’ne Suppe für dich, damit kommste wieder aufde Beine, wetten! Hatte auch mal ’s verdammichte Fieber un Phyllis auch, ’s is ’ne Ewichkeit her, in Plymouth war’s, un wir ham’s auch abgeschmettert, nich, Phyllis?«
»Ja, ja, abgeschmettert.« Phyllis reichte von vorn den Becher mit der dampfenden Suppe.
»Jetzt nimmste erst mal ’n kräftigen Schluck, un dann sieht de Welt ganz anners aus, nich, Bride?«
Doch Brides Kiefer waren wie zugeschraubt. So sehr sich Phoebe auch abmühte, sie bekam nicht das kleinste Tröpfchen Suppe zwischen seine Zähne. »Willste nix? Na, is auch gut. Vielleicht später.«
Sie versuchte, ihrer Stimme einen überzeugenden Klang zu geben, denn noch immer glaubte sie, dass
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