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Der Chirurg von Campodios

Der Chirurg von Campodios

Titel: Der Chirurg von Campodios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Moghráin, so war’s, bei den Knochen meiner … ach was, bei meiner Seele, bei meiner armen Seele!«
    Sie schluchzte laut auf, denn zu vieles war in den letzten Tagen auf sie eingestürmt, und sie hatte mit allem allein fertig werden müssen. Sie war es gewesen, die Stärke gezeigt hatte, sie war es gewesen, die das Heft in die Hand genommen hatte, sie war es gewesen, die den Männern Pflege und Trost gegeben hatte. Und nun, nun brauchte sie selber Trost, und niemand war da, an den sie sich lehnen konnte. Nur Ó Moghráin, und der war fast tot. Sie streichelte ihn und schluckte und schniefte und tat sich eine Zeit lang schrecklich Leid, aber dann dachte sie daran, dass Bantry noch versorgt werden musste und dass sie für alle die Verantwortung trug. »’s Leben geht weiter«, murmelte sie, gab sich einen Ruck und legte den Steuermann behutsam zurück auf den Bootsboden.
    Dann küsste sie ihn auf den Mund.

Der Überlebende Bantry
    »Schlafe süß, Milchgesicht, und schlafe auf ewig, denn wenn ich hier fertig bin, renne ich dir das Messer in den Wanst.«
     
    B antry kauerte im Heck der
Albatross
, nur einen halben Schritt entfernt von Hewitt, der Pinne und Schot hielt. Er war sehr zufrieden mit sich, denn seit zwei Tagen spürte er, wie die Kraft in seinen Körper zurückkehrte. Zuerst hatte er es in den Beinen gemerkt, dann in den Armen und zuletzt in den Fingern. Er besaß sehr starke Finger, die das, was sie einmal gepackt hatten, kaum je wieder losließen.
    Tagelang hatte das Fieber ihn in seinen Klauen gehalten, doch nun wich es zurück wie das Meer bei Ebbe, und sein Kopf wurde wieder frei. Früher als bei den anderen, wie er mit Genugtuung feststellte; früher auch als bei diesem Gernegroß Vitus von Campodingsda, und das war gut so, denn es kam seinen Absichten entgegen.
    Am gestrigen Tag, als Phoebe weinend den sterbenden Ó Moghráin in ihren Armen gehalten hatte, war er noch zu schwach gewesen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, weshalb er weiterhin den Fiebernden vorgetäuscht hatte. Umso mehr hatte er es genossen, ihre stramme Brust an seiner Wange zu fühlen, und sich dabei ausgemalt, wie es sein würde, ihre Titten mit seinen wiedererstarkten Fingern durchzukneten. Aber das musste warten. Alles zu seiner Zeit, hatte er sich gesagt.
    Und heute war es so weit. Heute würde er den Versuch wagen. Er war sicher, dass er sein Ziel erreichen konnte, wenn er nur geduldig vorging. Geduldig und gerissen. Sein erster Blick galt dem Wetter. Es hatte sich verschlechtert, stellte aber keinen Anlass zur Besorgnis dar. Der Wind war stärker geworden und blies in Böen über die
Albatross
; die See zeigte glasige Wellenkämme, die hier und da zu weißen Schaumkronen aufbrachen. Wolken waren über Nacht aufgezogen und hingen am Himmel wie schwere schwarze Kissen. Wenn sie sich abregneten, konnte man Wasser auffangen, und aus Wasser ließ sich Suppe kochen, denn Hewitt, dieser Hänfling, hatte ein paar schöne Bonitos mit der Langleine gefangen.
    Sein zweiter Blick galt den anderen Kranken. Die meisten schliefen oder dösten vor sich hin. Es schien diesen Jammerlappen unverändert schlecht zu gehen. Gut so! Die waren gewiss nicht in der Lage, seinen Plan zu durchkreuzen.
    Sein dritter Blick galt Phoebe, die schon damit beschäftigt war, den Rest der Suppe zu verteilen. Verschwendete Liebesmüh! Bald würde sie nur noch an ihn Suppe ausgeben.
    Was er mit ihrer Freundin, diesem blassen Heimchen, machen würde, wusste er noch nicht. Immerhin war auch sie eine Frau und konnte für Abwechslung sorgen, wenn er Phoebe satt hatte. Außerdem war sie eine Hure, und Huren verstanden es, einem Mann höchste Wollust zu verschaffen.
    Dann waren da noch der Steuermann und der Zimmermann: Ó Moghráin war tot, und auch Bride hatte im Morgengrauen den Arsch zugekniffen. Bantry grunzte zufrieden. Wieder zwei Fresser weniger, und er war der Einzige, der es bisher bemerkt hatte. Er überlegte, wie er diesen Umstand für sein Vorhaben ausnutzen konnte, als plötzlich die ersten schweren Tropfen ins Boot klatschten. Regen!
    »Regen!«, stellte auch Phoebe freudig fest. Sie unterbrach das Füttern der Männer. »’tschuldigung, Jungs, Phoebe kann nich weitermachen, wartet mal.« Sie blickte zum Himmel. »Hui, ’s is ganz schön dick da oben, schätze, ’s gibt ’n mächtigen Pladder, ’n mächtigen Pladder gibt’s, wolln sehn, ob wir nich was auffangen, nich, Phyllis?«
    »Ja, ja, auffangen.«
    »’s Sonnensegel is goldrichtich.

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