Der Chirurg von Campodios
er bei sich war. »Gesund wirste bestimmt, nich, heißt ja auch Joshua mit Vornamen. Schöner Name. Kennste den Joshua ausser Bibel? Kenn mich inner Bibel nich so aus, aber da is ’ne Geschichte drinne mit’m Mann, der hieß auch Joshua, un die kennich, willste se hörn?«
Ohne seine Reaktion abzuwarten, begann sie: »Der Joshua, das war ’n Sohn von ’nem Mann, der hieß Nun. Ja, Nun hieß der, komischer Name, nich? Na, egal, jedenfalls war der Nun ’n Diener von Moses, soweit klar? Joshua also hatde Juden übern Jordan geführt, das is ’n Fluss, weißte, zwölf Steine oder so hatter genommen, darauf sin se rüber, damitse keine nassen Füße kriegen. Der Joshua nämlich hat kein Land nich gehabt, un er brauchte was, un darum hatter Jericho erobert, Jericho, das is ’ne Stadt, fallste das schon mal gehört hast. Die Priester von ihm sin immer mit Posaunen umde Mauern rum un ham geblasen, was das Zeuch hält, sieben Tage lang, un am siebten Tach hamse alle noch ’n großes Geschrei gemacht, da fielen de Mauern um, einfach so. Un se ham Jericho erobert un alle totgemacht, auch Esel, Schafe un anneres Viehzeugs, nur ’ne Hure hamse leben lassen, nur ’ne Hure, verstehste, die hieß Rahab. Rahab hieß die. Kannste mal sehn, ’ne Hure is nich das Schlechteste. Un Joshua, der hattes geschafft, weil der Herr ihm geholfen hat. Un du, Bride, heißt auch Joshua, un dir hilft der Herr auch. Wirst sehen, bald biste ’s Fieber los.«
Sie seufzte, denn sie glaubte selbst nicht daran. Sie legte Bride zurück und kroch hinüber zum Cirurgicus. Von ihm wusste sie, dass es eine Frau gab, die er sehr lieben musste, denn häufig hatte er im Fieberwahn ihren Namen gerufen. Die Frau hieß Arlette, ein schöner Name, wie sie fand, und sie hatte viel Zeit damit verbracht, sich vorzustellen, wie diese Arlette wohl aussah. Ob sie und Vitus ein schönes Paar waren?
»Hast schon schlechter ausgesehn, Vitus«, begrüßte sie den Cirurgicus burschikos. »Hier is Phoebe, die Pflegeschwester. Hab ’n Schlach Suppe für dich, ja, Suppe, da staunste, was? Habse mit meinen eignen Händen gekocht. Willste was?«
Vitus schüttelte unmerklich den Kopf. Er war hohläugig und hohlwangig, seine Lippen waren ausgetrocknet und rissig.
»Ach, meinst wohl, ich soll den annern erst was geben, wie? Is wieder mal typisch der Herr Cirurgicus, zu edel fürde Welt. Selber essen macht fett, sach ich immer. Un nu komm.« Sie nahm ihn in bewährter Manier an ihren Busen und bemerkte dabei ein winziges Lächeln in seinen Mundwinkeln. »Bei den Knochen meiner Mutter, grinsen tatste gestern noch nich, machst Fortschritte, Vitus, Fortschritte machste, genau wie der Winzbuckel un der Magister!«
Die gute Nachricht schien Vitus zu beleben. Er trank die Suppe mit bedächtigen Schlucken.
»Is dir auch nich kalt? Nein? Un heiß? Auch nich? Gut. Wassich noch sagen wollte, ich hab ’n Riesenbammel wegen Bride un Ó Moghráin, die sterben mir wech, weißte, wechsterben tun die mir, gibt’s nich noch was, wassich machen kann?«
Vitus zuckte schwach mit den Schultern. Mit großer Anstrengung hob er ein wenig den Kopf und flüsterte: »Beten … und Wasser … viel Wasser …«
»Wasser, da sachste was, woher nehmen un nich stehlen? Na, vielleicht regnet’s ja bald, dann fangich was auf, nich, un nu schlaf.«
Sie wandte sich nach links, wo Ó Moghráin zu Füßen von Hewitt lag. Er bot ein Bild des Jammers und glich schon nicht mehr seiner selbst, das sah sie sofort. Dennoch nahm sie ihn auf, und während sie über sein schweißfeuchtes Haar strich, spürte sie, wie ihr die Tränen unaufhaltsam kamen. »Verdammich, verdammich, verdammich«, schniefte sie, »musses nu ausgerechnet dich treffen, Ó Moghráin? So’n feinen Kerl wie dich? ’s gibt so viele Schweinehunde aufer Welt, warum nich einen von denen? Ich weiß nich, obde noch was mitkriegst, Ó Moghráin, kriegste noch was mit? Ach, ich sach’s dir einfach …«, sie schniefte ein paar Mal und zog dann geräuschvoll die Nase hoch, »weißte noch den Tach, wo die Möwe mir auf’n Hut gemacht hat un wo der Magister gesacht hat, ich hätt nu ’n Wunsch frei? Weißte, dassich da nur an dich gedacht hab, als ich gesacht hab, dassich mir in Neu-Spanien ’n piekfeinen Don angeln will? Der Don, dacht ich, der müsst so aussehen wie Donal Ó Moghráin, genau so, un er soll mich auf Händen tragen, un ich will ihm ’ne gute Frau sein. Ja, wahrhaftig, hab dabei nur an dich gedacht, nur an dich, Ó
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