Der Clan
tot!«
Amandas Reputation wuchs weiter. Ihre Bilder verkauften sich zu immer höheren Preisen. Sie experimentierte inzwischen mit einem neuen Stil. Er war zwar noch ganz entschieden realistisch, aber doch etwas kühler, mit etwas lockererem Pinselstrich. Stand man einen oder zwei Meter von ihren Bildern entfernt, war der fotografisch genaue Eindruck beispielsweise eines Fingers, vorhanden. Ging man ganz an die Leinwand heran, erkannte man aber, daß der Finger nur aus vier genau gesetzten Pinselstrichen bestand.
Angelo fand endlich Zeit, daß sie sein Porträt malen konnte. Sie beklagte sich, die Farbe trockne zwischen den einzelnen Sitzungen ein, weil die Pausen dazwischen zu lang waren, aber schließlich war sie fertig und brachte es Cindy. Es war ein genaues und lebensähnliches Bild. Eigentlich sogar mehr als das. Wie Angelo selbst sagte, hatte sie nicht am Äußeren halt gemacht, sondern auch das gezeigt, was er wirklich verkörperte.
Er war bekleidet. Den Vorschlag, ebenfalls als Akt zu posieren, hatte er freundlich, aber bestimmt abgelehnt.
Alicia Grinwold Hardeman hatte solche Hemmungen nicht und ließ sich ihrerseits als Akt malen, für einen Preis von 20 000 Dollar für Amanda.
Nachdem Alicia Hardeman Aktionärin von XB Motors war und sich zwischen ihr und Angelo eine persönliche Freundschaft entwickelt hatte, pflegte er sie nun regelmäßig über den Fortgang der Dinge in Detroit zu unterrichten, wenn er am Wochenende heimkam.
An einem Samstag nachmittag im August hielt Angelo auf dem Weg nach Hause an der Round Hill Road bei ihr an und zeigte ihr einen Stapel Fotos, die für die Stallion-Werbung verwendet werden sollten.
Er war überrascht, daß Bill Adams nicht da war. Normalerweise war er samstags nachmittags immer da. Alicia hieß ihn willkommen und bat ihn ins Haus. Sie war am Pool gewesen und trug ein kurzes, weißes Strandkleid. Er vermutete einen Bikini darunter.
»Wenn ich mich recht erinnere«, sagte sie auf ihrem Weg durch das Haus, »dann waren Sie doch immer ein Fan meiner Martinis, richtig? Wann sind Sie denn zu Scotch übergelaufen?«
»Bin ich nicht. Man kommt nur leichter an einen anständigen Scotch als an einen wirklich gut gemixten Martini.«
»Lassen wir es darauf ankommen?« fragte sie und ging in die Küche.
»Aber ja doch.«
Sie zerkleinerte Eiswürfel in ihrer Hand mit einem kleinen Federhämmerchen. Das Eis kam in einen hohen dünnen Glaspit-cher, dazu Gin und ein Hauch Vermouth. Sie rührte mit einem Glasstab um, schnitt gekonnt ein Ringelchen Zitronenschale ab, legte es in ein sehr hohes Trinkglas und schenkte ein.
Er nippte.
»Ein trockener, gut gemixter Martini«, sagte Alicia.
»Gut gemixt«, bestätigte er und prostete ihr mit dem Glas zu.
Sie schnitt noch ein Stück Zitronenschale ab, tat es in das andere Glas und schenkte sich selbst ein. »Wenn man nicht die Gelegenheit hat«, sagte sie, »Autos zu bauen, große Aktientransaktionen vorzunehmen oder für den Kongreß zu kandidieren, dann muß man die kleinen zivilisierten Künste und Kenntnisse kultivieren, wie beispielsweise, einen guten Martini zu mixen.«
Angelo hob ihr noch einmal sein Glas entgegen. »Die Straßen sind voll von Autos«, sagte er, »und die meisten taugen nichts. Aber gute Martinis sind selten.«
»Viel zu viele Amerikaner begnügen und bescheiden sich mit Dosenbier Light«, fuhr Alicia fort, »und halten das für Bier. Genauso halten sie Instantkaffee für wirklichen Kaffee.«
»Was kann man erwarten, wenn inzwischen schon Generationen mit Burgers und Fritten dieser Schnellfreßburgen aufgewachsen sind?«
Alicia sah ihn intensiv an. »Haben Sie eigentlich das Bild schon gesehen, das Amanda von mir gemalt hat?«
»Nein. Wie ich höre, ein - Akt?«
»Ja, ich bin splitternackt. Und es ist wunderschön. Eines Tages, wenn ich nicht mehr bin, wird das in einer Galerie hängen. Nicht in einer Verkaufsgalerie, sondern in einem Museum. Kommen Sie, ich zeige es Ihnen. Ich habe es oben aufgehängt. Es bekommt natürlich nicht jeder zu sehen. Aber ich schwöre, wenn morgen das BruceMuseum käme und es dort aufhängen wollte, würde ich es zulassen.«
Er folgte ihr die Treppe hinauf nach oben und den Flur entlang zu ihrem Schlafzimmer. Dort dominierte das große Bild eine ganze Wand, mehr noch, den ganzen Raum.
Er hatte sich vorzustellen versucht, wie Alicia Grinwold Hardeman ohne Kleider aussehen mochte. Der Anblick des Bildes zeigte ihm, daß die träge aus dem Bild blickende gemalte
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