Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
schlieÃlich öffneten. Sie erkannten Takeo nicht sofort, wussten aber, wer Maya war. Im Schein ihrer Lampen sahen sie das Blut, schrien überrascht auf und riefen nach Taku. Doch wie Takeo merkte, berührte keiner von ihnen Maya. Man vermied sogar, ihr zu nahe zu kommen, und sie stand da, als wäre sie von einem unsichtbaren Zaun umgeben.
»Und Sie, Herr? Sind Sie auch verletzt?« Einer der Männer hob seine Lampe, so dass ihr Lichtschein auf Takeos Wange fiel. Er bemühte sich erst gar nicht, seine Gesichtszüge zu verändern. Er wollte sehen, wie sie reagierten.
»Es ist Lord Otori!«, flüsterte der Mann und die anderen fielen sofort auf die Knie. »Kommen Sie herein, Lord.« Der Mann mit der Lampe trat beiseite und erhellte die Schwelle des Tores.
»Erhebt euch«, sagte Takeo zu den Männern, die sich vor ihm niedergeworfen hatten. »Holt Wasser und irgendein weiches Papier oder Seidenbällchen, um die Blutung zu stoppen.« Er trat über die Schwelle und hinter ihm wurde das Tor sofort wieder geschlossen und verriegelt.
Inzwischen war der ganze Haushalt wach. Drinnenwurden Lampen entzündet, und die verschlafenen Mägde kamen ins Freie. Hinten auf der Veranda erschien Taku, er trug ein Schlafgewand aus Baumwolle und hatte sich eine Steppjacke über die Schultern geworfen. Maya erblickte er zuerst, und er ging sofort zu ihr. Takeo glaubte, er würde sie schlagen, doch Taku winkte der Wache, die Lampe zu bringen, nahm Mayas Kopf in beide Hände und drehte ihn zur Seite, um die Wunde auf ihrer Wange besser erkennen zu können.
»Was ist denn passiert?«, fragte er.
»Es war ein Unfall«, antwortete Maya. »Ich stand im Weg.«
Taku führte sie auf die Veranda. Dort musste sie sich hinsetzen, und er kniete sich neben sie, lieà sich von der Magd ein Stück Papier geben und tränkte es mit Wasser. Er befahl, die Lampe dichter an ihr Gesicht zu halten, und wusch die Wunde dann sorgfältig aus.
»Das sieht nach einem Wurfmesser aus. Wer treibt sich denn drauÃen mit Wurfmessern herum?«
»Herr, Lord Otori ist hier«, sagte die Wache. »Er ist auch verletzt.«
»Lord Takeo?« Taku versuchte, ihn zu erspähen. »Verzeihen Sie, aber ich habe Sie nicht gesehen. Sie sind hoffentlich nicht schwer verletzt?«
»Nur ein Kratzer«, sagte Takeo und ging zur Veranda. Vor den Stufen eilte eine Magd auf ihn zu, um ihm die Sandalen auszuziehen. Er kniete sich neben Maya. »Aber es wird nicht so leicht sein zu erklären, wie ich dazu gekommen bin. Die Spuren werden noch eine ganze Weile zu sehen sein.«
»Das tut mir leid«, setzte Taku an, doch Takeo hob eine Hand und brachte ihn zum Schweigen.
»Wir reden später. Kümmere dich erst einmal um die Wunde meiner Tochter. Ich fürchte, sie wird eine deutlich sichtbare Narbe zurückbehalten.«
»Hol Sada«, befahl Taku einer Magd, und wenig später erschien die junge Frau. Sie kam auch vom hinteren Ende der Veranda, wie Taku im Schlafgewand, und das Haar hing ihr offen um das Gesicht. Sie warf einen raschen Blick auf Maya, ging wieder ins Haus und kehrte mit einem Kästchen zurück.
»Dies ist eine Salbe, die Ishida uns zubereitet«, sagte Taku, nahm das Kästchen entgegen und klappte es auf. »Ich hoffe, das Messer war nicht vergiftet?«
»Nein«, antwortete Takeo.
»Zum Glück ist das Auge heil geblieben. Haben Sie das Messer geworfen?«
»Leider ja.«
»Dann müssen wir wenigstens nicht nach einem Attentäter der Kikuta suchen.« Sada hielt Mayas Kopf, während Taku die Wunde mit der Salbe bestrich, die ein wenig klebrig wirkte und die Ränder des Schnittes zusammenhielt. Maya saà da, ohne mit der Wimper zu zucken, die Augen weit offen, die Lippen wie zum Lächeln gespannt. Die drei waren auf eine seltsame Weise miteinander verbunden, wie Takeo dachte, denn die Szene hatte etwas sehr Gefühlvolles.
»Geh mit Sada«, befahl Taku Maya. »Gib ihr etwas, damit sie schläft«, sagte er zu Sada. »Und bleib die ganze Nacht bei ihr. Ich rede morgen früh mit ihr.«
»Es tut mir so leid«, sagte Maya. »Ich wollte meinen Vater nicht verletzen.«
Doch ihr Tonfall besagte das Gegenteil.
»Wir werden uns eine Strafe für dich ausdenken, nach der es dir noch mehr leidtut«, sagte Taku. »Ich bin sehr zornig, und Lord Otori ist es mit Sicherheit
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