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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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sehnte sich danach zu schlafen. Sie standen unter der tropfenden Dachtraufe.
    Zenko sagte: »Es geht um die Mutofamilie. MeinemEindruck nach haben in allen Drei Ländern viele Mitglieder meiner Familie das Gefühl, dass es ungut, ja sogar falsch wäre, von einer Frau geführt zu werden – obwohl sie natürlich größte Hochachtung vor meiner Mutter und vor Ihnen haben. Da ich Kenjis ältester männlicher Nachkomme bin, betrachten sie mich als seinen Erben.« Er sah kurz zu Takeo. »Ich möchte Sie nicht beleidigen, aber die Leute wissen von Kenjis Enkel, Yukis Sohn. Es gibt Stimmen, die meinen, er solle ihm nachfolgen. Es wäre vernünftig, mich so schnell wie möglich als Oberhaupt der Familie einzusetzen, denn das würde diese Stimmen zum Schweigen bringen und all jene zufrieden stellen, die es nach einer Fortsetzung der Tradition verlangt.« Ein eingebildetes Lächeln überflog sein Gesicht.
    Â»Der Junge ist natürlich der Erbe der Kikuta«, fuhr er fort. »Daher sollte man ihn besser von den Muto fernhalten.«
    Â»Niemand weiß, ob er noch lebt, geschweige denn, wo er sich aufhält«, sagte Takeo, der sich keine Mühe mehr gab, freundlich zu tun.
    Â»Oh, das weiß man schon«, flüsterte Zenko und fügte, als er Takeos Zorn bemerkte, hinzu: »Ich versuche nur, Lord Otori in dieser schwierigen Situation behilflich zu sein.«
    Wäre er nicht mein Schwager, wäre seine Mutter nicht meine Cousine und eine meiner ältesten Freundinnen, dann würde ich ihm befehlen, sich das Leben zu nehmen! Ich muss es tun. Ich kann ihm nicht vertrauen. Ich muss es jetzt tun, solange er noch in Maruyama und damit in meiner Macht ist.
    Takeo schwieg, während diese widersprüchlichen Gefühle in ihm tobten. Schließlich sagte er, um Milde bemüht: »Zenko, ich rate dir, mich nicht noch weiter zu reizen. Du hast große Ländereien, Söhne, eine schöne Frau. Ich habe dir eine noch engere Verbindung unserer Familien durch eine Heirat angeboten. Ich schätze deine Freundschaft und halte große Stücke auf dich. Doch ich werde nicht dulden, dass du mich herausforderst …«
    Â»Lord Otori!«, wehrte Zenko ab.
    Â»Oder das Land in einen Bürgerkrieg stürzt. Du hast mir Ergebenheit geschworen. Du schuldest mir dein Leben. Warum muss ich das immer wieder sagen? Es reicht. Ich rate dir zum letzten Mal, nach Kumamoto zurückzukehren und das Leben zu genießen, das du mir verdankst. Wenn nicht, werde ich dir befehlen, es zu beenden.«
    Â»Dann werden Sie meine Gedanken über das Erbe der Muto also nicht erwägen?«
    Â»Ich verlange von dir, dass du deine Mutter, die nun die Familie führt, unterstützt und ihr gehorchst. Außerdem bist du stets für den Weg des Kriegers gewesen und daher begreife ich nicht, warum du dich jetzt in die Angelegenheiten des Stammes einmischen willst!«
    Nun war auch Zenko wütend, was er mit mäßigem Erfolg zu verbergen versuchte. »Ich bin vom Stamm aufgezogen worden. Ich bin genauso ein Muto wie Taku.«
    Â»Nur, wenn du einen politischen Vorteil darin siehst! Bilde dir nicht ein, meine Autorität weiter untergraben zu können. Vergiss niemals, ich habe deine Söhne als Pfand deiner Treue.«
    Damit hatte Takeo die Jungen zum ersten Mal direktbedroht. Möge der Himmel verhüten, dass ich diese Drohung je wahr machen muss , dachte er. Aber Zenko würde das Leben seiner Söhne bestimmt niemals aufs Spiel setzen.
    Â»Mir geht es nur darum, das ganze Land zu stärken und Lord Otori zu unterstützen«, sagte Zenko. »Meine Worte tun mir leid. Bitte vergessen Sie sie.«
    Draußen waren sie ganz sie selbst gewesen. Doch als sie ins Haus zurückkehrten, kam es Takeo vor, als nähmen sie wie in einem Drama ihre jeweiligen Rollen an, die sie, von der Hand des Schicksals geführt, bis zum Ende spielen mussten. Der Zuschauerraum, dessen Säulen und Balken mit Reliefs geschmückt waren und der von Gefolgsleuten in prächtigen Gewändern wimmelte, war die Bühne. Sie nahmen mit eisiger Höflichkeit Abschied voneinander und verbargen ihren Zorn. Zenkos Abreise aus Maruyama war für den nächsten Tag geplant, Takeos für den übernächsten.
    Â»Dann wirst du allein in Maruyama sein«, sagte er zu Shigeko, bevor sie sich zurückzogen.
    Â»Hiroshi wird auf jeden Fall bis zum nächsten Jahr hier sein, um

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