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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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mich zu beraten«, erwiderte sie. »Aber was ist dir letzte Nacht passiert, Vater? Wo hast du diese Wunde her?«
    Â»Ich will dir nichts verheimlichen«, sagte er. »Aber ich möchte deine Mutter im Augenblick nicht beunruhigen, also sorg dafür, dass sie nichts davon erfährt.« Er erzählte ihr in aller Kürze von Mayas Besessenheit und deren Folgen. Shigeko hörte schweigend zu, ohne Erschrecken oder Angst zu zeigen, und dafür war er ihr seltsamerweise dankbar.
    Â»Maya bleibt über den Winter mit Taku in Hofu«, sagte er.
    Â»Dann bleiben wir mit ihnen in Verbindung. Und wir werden Zenko genau im Auge behalten. Mach dir nicht zu viele Sorgen, Vater. Wenn man dem Weg des Houou folgt, trifft man oft auf die Besessenheit durch ein Tier. Gemba weiß viel darüber und er hat es mich gelehrt.«
    Â»Sollte Maya besser nach Terayama reisen?«
    Â»Wenn die Zeit reif ist, wird sie dorthin gehen.« Shigeko lächelte sanft, als sie fortfuhr. »Alle Geister suchen die höhere Macht, die sie beherrschen und ihnen Frieden schenken kann.«
    Takeo lief ein Schauder über den Rücken. Seine Tochter kam ihm vor wie eine Fremde, rätselhaft und weise. Er musste an die blinde Frau denken, die die Prophezeiung ausgesprochen, ihn bei seinem Geburtsnamen gerufen und gewusst hatte, wer er wirklich war. Ich muss wieder dorthin zurück , dachte er. Nächstes Jahr, nach der Geburt meines Kindes und meiner Reise in die Hauptstadt, pilgere ich auf den Berg.
    Er spürte, dass Shigeko die gleiche spirituelle Kraft besaß. Ihm wurde leichter zu Mute, als er sie umarmte und ihr gute Nacht wünschte.
    Â»Ich denke, du solltest es Mutter erzählen«, sagte Shigeko. »Du darfst keine Geheimnisse vor ihr haben. Erzähl ihr von Maya. Erzähl ihr alles.«

KAPITEL 28

    Kumamoto, die befestigte Stadt der Arai, lag im tiefen Südwesten der Drei Länder und war von Bergen umgeben, in denen es große Vorkommen von Eisenerz und Kohle gab. Durch diese Bodenschätze hatte sich eine blühende Industrie entwickelt, die alle möglichen Eisenwaren produzierte, Töpfe und Teekessel, vor allem aber Schwerter. Es gab viele berühmte Schwertschmiede und Schmiedewerkstätten, und in den letzten Jahren war die noch lohnenswertere Herstellung von Feuerwaffen hinzugekommen.
    Â»Jedenfalls«, brummte der alte Mann, Koji, »wäre sie lohnenswert, wenn die Otori uns erlaubten, genug zu produzieren, um den Bedarf zu decken. Heiz das Feuer an, Junge.«
    Hisao betätigte den Griff des riesigen Blasebalgs, und der Schmiedeofen glühte so stark, dass ihm eine weiße Hitze Gesicht und Hände verbrannte. Es machte ihm nichts aus, denn seit sie vor zwei Wochen in Kumamoto angekommen waren, war der Winter angebrochen. Ein beißender Wind blies vom eisengrauen Meer und in den Nächten fror es.
    Â»Woher nehmen sie das Recht, den Arai vorzuschreiben, was wir herstellen dürfen und was nicht, welcheWaren erlaubt sind und welche verboten!«, fuhr Koji fort.
    Hisao bekam überall die gleiche Unzufriedenheit zu hören. Wie sein Vater ihm schadenfroh erzählt hatte, schürten die Gefolgsleute der Arai unentwegt Gerüchte, ließen den alten Groll gegen die Otori aufleben, stellten den Gehorsam Kumamotos gegenüber Hagi in Frage, zumal Arai Daiichi in der Schlacht die ganzen Drei Länder erobert hatte, anders als Otori Takeo, der einfach nur Glück gehabt hatte und dem das Erdbeben gerade recht gekommen war. Außerdem hatte er Lord Arai den schändlichen Tod durch eine jener Feuerwaffen gebracht, die er dem Clan nun versagte.
    Bei ihrer Ankunft in Kumamoto erfuhren Akio und Hisao, dass Zenko abwesend war, da Lord Otori ihn nach Maruyama befohlen hatte.
    Â»Behandelt Lord Arai wie einen Diener«, sagte der Wirt der Herberge bei ihrem ersten Abendessen. »Erwartet, dass er alles stehen- und liegenlässt und angerannt kommt. Reicht es denn nicht, dass Otori seine Söhne als Geiseln hält?«
    Â»Er demütigt gern seine Feinde und Verbündeten«, sagte Akio. »Das befriedigt seine Eitelkeit. Aber in Wahrheit ist er nicht sehr stark. Er wird stürzen und mit ihm die Otori.«
    Â»An dem Tag wird man in Kumamoto feiern«, erwiderte der Wirt, deckte das Geschirr ab und kehrte in die Küche zurück.
    Â»Wir warten, bis Arai Zenko zurückkehrt«, sagte Akio zu Kazuo.
    Â»Dann brauchen wir Geld«, sagte Kazuo.

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