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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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im Stehen. Dann gab Fumio ihnen einen Wink, sich zu setzen.
    Kaede saß vor der Längsseite des Raumes, mit Blick auf die Veranda. Nach den ersten Frösten war die schönste Farbe des Herbstlaubes gerade am Verblassen und die Erde war von karmesinroten Blättern bedeckt, die einen Kontrast zum wolkengrauen Stein der Felsen und Laternen bildeten. Rechts von ihr im Alkoven hing eine Schriftrolle, deren Kalligrafie von ihr selbst stammteund eines ihrer Lieblingsgedichte über den herbstlichen Backenklee zitierte, nach dem die Stadt Hagi benannt worden war. Natürlich entging diese Anspielung den Fremden und ihrer Dolmetscherin.
    Die Männer saßen etwas verkrampft da, den Rücken zur Schriftrolle. Sie hatten ihr Schuhwerk draußen gelassen, und Kaede fielen die langen, hautengen Kleidungsstücke auf, die ihre Beine bedeckten und unter dem Saum ihrer seltsamen Gewänder verschwanden. Diese waren gebauscht und ließen Hüften und Schultern unnatürlich groß wirken. Der Stoff war hauptsächlich schwarz, mit bunten Flicken bestickt, und sah weder nach Seide noch Baumwolle oder Hanf aus. Die Frau rutschte auf Knien zu der Stelle, die neben Kaede frei geblieben war, neigte ihren Kopf auf die Matte und blieb dann gebückt sitzen.
    Kaede nahm die Männer weiter heimlich in Augenschein. Sie bemerkte ihren ungewohnten Geruch, der sie mit leichtem Ekel erfüllte, war sich aber auch sehr stark der Frau neben sich bewusst, die Takeos Haar und Hautfarbe hatte. Diese Tatsache traf sie wie ein Schlag, der ihr Herz hämmern ließ. Es war wirklich seine Schwester. Sie glaubte kurz, weinen oder ohnmächtig werden zu müssen, aber zum Glück kam Shizuka mit Tee und süßem Bohnengebäck in den Raum. Kaede gewann ihre Selbstbeherrschung wieder.
    Die Frau, Madaren, war noch überwältigter, und ihre ersten Versuche zu dolmetschen waren so kleinmütig und nuschelig, dass beiden Seiten völlig unklar blieb, was geredet wurde. Man tauschte Höflichkeiten undNettigkeiten aus und nahm Geschenke entgegen. Die Fremden lächelten viel – ziemlich furchterregend –, und Kaede sprach sanft und verneigte sich so anmutig wie möglich. Fumio kannte einige Wörter der Fremden und er benutzte sie alle, während jeder in seiner jeweiligen Sprache ständig Ich danke Ihnen , Es ist mir ein großes Vergnügen und Verzeihen Sie mir sagte.
    Wie sich herausstellte, war einer der Männer, er hieß Don João, verwirrenderweise sowohl Kaufmann als auch Krieger, der andere ein Priester. Der Wortwechsel nahm viel Zeit in Anspruch, denn Madaren war sehr darauf bedacht, Lady Otori nicht zu beleidigen, und sprach auf äußerst höfliche und verschlungene Art. Nach einigen langatmigen Gesprächen über die Unterbringung und die Bedürfnisse der Fremden begriff Kaede, dass der Winter verstreichen würde, ohne dass sie etwas lernte, wenn es so weiterging.
    Â»Bringen Sie sie nach draußen und zeigen Sie ihnen den Garten«, sagte sie zu Fumio. »Die Frau bleibt bei mir.«
    Sie schickte alle anderen aus dem Raum. Shizuka warf ihr einen fragenden Blick zu, als sie sich zurückzog.
    Die Männer schien es sehr zu erleichtern, nach draußen gehen zu können, und während sie laut und bemüht, wenn auch in wohlwollendem Ton sprachen, vermutlich über den Garten, wandte sich Kaede ruhig an Madaren.
    Â»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Mein Mann hat mir erzählt, wer du bist. Es ist besser, wenn niemand anderer davon erfährt, aber um seinetwillen werde ich dich ehren und beschützen.«
    Â»Lady Otori lässt sich in ihrer Güte zu tief hinab«, begann Madaren, doch Kaede unterbrach sie.
    Â»Ich habe eine Bitte an dich – und an die Herren, denen du dienst. Du hast ihre Sprache gelernt. Ich möchte dich bitten, mich darin zu unterrichten. Wir werden täglich üben. Sobald ich flüssig genug spreche, werde ich ihre Bitten erwägen. Je schneller ich lerne, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie erfüllt werden. Ich hoffe, du verstehst mich. Einer von ihnen wird dich begleiten, denn natürlich will ich auch ihre Schrift lernen. Sag ihnen das – kleide es in eine Bitte, die sie irgendwie erfreut.«
    Â»Ich bin die Niederste der Niedersten, aber ich werde alles tun, um Lady Otoris Wünsche zu erfüllen.« Madaren warf sich wieder zu Boden.
    Â»Madaren«, sagte Kaede und sprach den

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