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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Taku verbrachte. Dann lag Maya bis zur Dämmerung wach, hatte Angst, die Augen zu schließen, zitterte vor Kälte, sehnte sich nach der Wärme der Katze und fürchtete sich zugleich davor.
    Sada hatte dafür gesorgt, dass sie in einem der Mutohäuser zwischen dem Fluss und Zenkos Residenz wohnten. Früher war es eine Brauerei gewesen, doch mit dem wachsenden Wohlstand Hofus hatte die Zahl der Kunden zugenommen und die Familie hatte sich größere Räumlichkeiten suchen müssen. Daher wurde dieses Haus nur noch als Vorratslager genutzt.
    Wie in Maruyama stellte die Mutofamilie Wachen und Diener bereit, und Maya verkleidete sich draußen weiter als Junge, wurde drinnen jedoch als Mädchen behandelt. Sie rief sich Shigekos Anweisungen ins Gedächtnis und hielt die Ohren offen, horchte auf die geflüsterten Gespräche, die in ihrer Umgebung geführt wurden, streifte bei besserem Wetter durch den Hafen und erzählte Taku und Sada im Anschluss das meiste dessen, was sie gehört hatte. Doch sie erzählte ihnen nicht alles, denn manche Gerüchte trafen und ärgerten sie und sie wollte sie nicht wiederholen. Und sie wagte Taku auch nicht nach dem Jungen zu fragen, bei dem es sich um ihren Bruder handelte.
    Maya sah Shigeko im Frühsommer wieder, als diese auf dem Weg nach Miyako war und mit dem Kirin und Hiroshi kurz in Hofu verweilte. Inzwischen kannte sie ganz genau alle Einzelheiten von Takus Leidenschaft für Sada, und sie musterte ihre Schwester und Hiroshi, um herauszufinden, ob auch diese beiden die gleichen Symptome zeigten. Der Tag, an dem sie Shigeko gemeinsam mit Miki wegen Hiroshi geneckt hatte, schien eine Ewigkeit her zu sein: War es nur die Schwärmerei eines jungen Mädchens gewesen oder liebte ihre Schwester immernoch den Mann, der nun ihr oberster Gefolgsmann war? Und liebte er sie? Wie Takeo war auch Maya aufgefallen, wie rasch Hiroshi bei der Feierlichkeit in Maruyama beim Scheuen Tenbas reagiert hatte, und sie hatte den gleichen Schluss daraus gezogen. Doch jetzt war sie sich nicht mehr ganz so sicher: Einerseits schienen Shigeko und Hiroshi sowohl distanziert als auch förmlich miteinander umzugehen, andererseits schien jeder von beiden die Gedanken des anderen zu kennen und zwischen ihnen herrschte eine Art Harmonie. Shigeko besaß mittlerweile eine neue Autorität, und Maya wagte es nicht mehr, sie zu necken, geschweige denn zu fragen.
    Im fünften Monat, nachdem Shigeko und Hiroshi mit dem Kirin nach Akashi aufgebrochen waren, hatte Taku alle Hände voll mit den Forderungen der Fremden zu tun, die aus Hagi zurückgekehrt waren und unbedingt so rasch wie möglich einen dauerhaften Handelsposten gründen wollten. In dieser Zeit wurde Maya sich der Veränderungen, die sich seit den ersten Tagen des Frühlings langsam eingestellt hatten, ganz bewusst. Sie schienen die beunruhigenden Gerüchte zu bestätigen, die sie seit dem Winter gehört hatte.
    Seit ihrer Kindheit hatte sie geglaubt, die Mutofamilie stünde in unverrückbarer Treue zu den Otori und würde für die Loyalität des Stammes sorgen – außer für die der Kikuta, die ihren Vater hassten und ihn töten wollten. Shizuka, Kenji und Taku waren alle Muto und ihr ganzes Leben lang ihre engsten Berater und Lehrer gewesen. Daher konnte sie die Anzeichen, die sie nun bemerkte, nur langsam begreifen und akzeptieren.
    Immer weniger Boten kamen zum Haus. Informationen trafen so spät ein, dass sie unbrauchbar waren. Die Wachen feixten hinter Takus Rücken. Sie sagten, er sei von Sada besessen, einem Mannweib, das ihn geschwächt und verwirrt hätte. Maya musste noch mehr Arbeiten im Haushalt bewältigen, weil die Mägde faul, ja sogar frech wurden. Als ihr Misstrauen wuchs, folgte sie ihnen in die Schänke und hörte die Geschichten, die sie dort erzählten: dass Taku und Sada Zauberer seien und für ihre Hexereien einen Katzengeist benutzten.
    In der Schänke hörte sie auch andere Gespräche zwischen den Muto, Kuroda und Imai: Nach fünfzehn Jahren des Friedens, in denen gewöhnliche Kaufleute und Bauern einen unerwarteten Zuwachs an Wohlstand, Einfluss und Macht erlebt hatten, trauerte der Stamm der alten Zeit nach, in der er Handel, Geldverleih und Rohstoffe kontrolliert hatte und in der die Kriegsherren miteinander um seine Dienste gewetteifert hatten.
    Die brüchigen Bündnisse, die Kenji kraft seines Charakters,

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