Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
wissen«, sagte sie. »Das wird zum Bruch zwischen den beiden führen. Sie wird ihm nie vergeben. Ich kenne ihn: Er wird vor ihr und der Welt fliehen und in Terayama Zuflucht suchen. Der Tempel ist kaum bewacht. Niemand wird mit Ihnen rechnen. Dort können Sie ihn überraschen.«
Akio hatte die Augen halb geschlossen. Beim Ausatmen seufzte er tief auf. »Nur das kann meinen Schmerz tilgen.«
Hana empfand plötzlich das Verlangen, ihn an sich zu ziehen, seinen Schmerz zu lindern. Sie war sich sicher, ihn über den Tod â sie zögerte, es als Mord zu bezeichnen â seiner Frau hinwegtrösten zu können. Doch sie beschloss weise, sich diese Freude für die Zukunft aufzusparen. Sie wollte noch etwas anderes mit Akio besprechen.
»Hisao hat eine Waffe geschmiedet, die so klein ist, dass man sie heimlich bei sich tragen kann?«, fragtesie. »Mit dem Schwert kann man Takeo nicht töten, weil man nicht nahe genug an ihn herankommt, aber die Feuerwaffe kann man aus der Entfernung einsetzen, richtig?«
Akio nickte und sprach wieder etwas ruhiger, als wäre er froh über den Themawechsel. »Er hat sie am Strand ausprobiert. Sie hat eine gröÃere Reichweite als ein Bogen, und die Kugel ist viel schneller als ein Pfeil.« Er verstummte kurz. »Wegen der Art, auf die sein Vater getötet wurde, hat Ihr Mann ein besonders groÃes Interesse am Einsatz dieser Waffe. Er möchte, dass Takeo einen genauso schändlichen Tod findet.«
»Darin liegt eine gewisse Gerechtigkeit«, stimmte Hana zu. »Sehr erfreulich. Aber Sie werden Hisao gewiss üben lassen, damit Sie sich des Erfolges auch wirklich sicher sein können, oder? Ich würde einen Probelauf vorschlagen, um zu sehen, ob auch alles klappt, damit er nicht die Nerven verliert und auch unter Druck genau zielt.«
»Haben Sie eine bestimmte Person im Sinn, Lady Arai?« Akio sah ihr direkt in die Augen, und als sich ihre Blicke trafen, schlug ihr Herz vor Aufregung schneller.
»Ja, ich habe da tatsächlich jemanden im Sinn«, sagte sie leise. »Kommen Sie ein wenig näher, dann flüstere ich Ihnen den Namen ins Ohr.«
»Nicht nötig«, erwiderte er. »Ich kann es mir denken.«
Er rückte trotzdem näher an sie heran, so nahe, dass sie seinen Atem riechen und seinen Herzschlag hören konnte. Beide saÃen reglos da und schwiegen. Der Windrüttelte an den Fensterläden und sie konnten die Möwen schreien hören.
Einige Augenblicke später vernahm sie im Hof Zenkos Stimme.
»Mein Mann ist zurück«, sagte sie, und als sie sich erhob, wusste sie nicht genau, ob sie erleichtert oder enttäuscht war.
Lord und Lady Arai reisten regelmäÃig zwischen Kumamoto und Hofu hin und her, und daher überraschte es nicht, dass sie so bald nach der Rückkehr der Fremden in der Hafenstadt eintrafen. Das Schiff, mit dem die Fremden gekommen waren, lichtete kurz darauf wieder die Anker, um mit Lady Maruyama Shigeko, Sugita Hiroshi und dem sagenhaften Kirin nach Akashi zu segeln. Die Einwohner Hofus nahmen voller Stolz und Trauer Abschied vom Kirin, denn seit seinem ersten atemberaubenden Eintreffen in ihrem Hafen hatten sie ein Interesse an dem Tier entwickelt, in das sich ein wenig Besitzerstolz mischte. Bald danach lieà Terada Fumio die Segel setzen, um zu seinem Vater zu stoÃen, der mit der Flotte der Otori vor dem Kap lag.
Die Fremden waren in Lord Arais Residenz oft zu Gast gewesen, und als man sie sofort wieder dorthin einlud, schien es kaum der Rede wert zu sein. Die Gespräche waren nun flüssiger, denn die Dolmetscherin war selbstbewusster und mutiger geworden und Don Carlo sprach die Landessprache inzwischen recht gut.
»Sie müssen uns für ziemlich dumm halten«, sagte er, »denn wir wussten nichts vom Kaiser. Wir hätten ihmunsere Aufwartung machen müssen, denn wir sind die Stellvertreter unseres Königs und Monarchen sollten sich an Monarchen halten.«
Hana lächelte. »Lord Kono, der vor kurzem in die Hauptstadt zurückgekehrt ist und dem Sie hier begegnet sein dürften, ist mit der Kaiserfamilie verwandt und versichert uns, dass Lord Arai das Wohlwollen des Kaisers genieÃt. Leider könnte Lord Otoris Herrschaftsanspruch über die Drei Länder als unrechtmäÃig gelten, und nun wird er beim Kaiser vorstellig, um diesem seinen Standpunkt darzulegen.«
Don João wirkte besonders
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