Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers
Kono hat mir geraten es aufzuhängen. Er meinte, Sie würden es kennen und lieber mögen als mein modernes Zeug. Wie finden Sie das hier?«
Er stand auf und ging zur Ostwand. »Kommen Sie mit und werfen Sie einen Blick darauf.«
Takeo erhob sich und stellte sich dicht hinter ihn. Sie waren fast gleich groÃ, obwohl Saga erheblich massiger war. Das Gemälde zeigte eine Gartenlandschaft mit Bambus, Pflaume und Kiefer. Es war ebenfalls in schwarzer Tinte gemalt, die Darstellung sparsam und fantasieanregend.
»Auch ausgezeichnet«, sagte Takeo mit aufrichtiger Bewunderung. »Ein Meisterwerk.«
»Die drei Freunde«, sagte Saga, »beweglich, duftend und stark. Lady Maruyama, bitte gesellen Sie sich zu uns.«
Shigeko kam auf die Beine und ging langsam zu ihrem Vater.
»Alle drei halten den Unbilden des Winters stand«, sagte sie leise.
»Sehr richtig«, sagte Saga, der zu seinem Platz zurückkehrte. »Eine solche Kombination sehe ich hier.« Er winkte ihnen, näher zu kommen. »Lady Maruyama ist die Pflaume, Lord Miyoshi die Kiefer.«
Bei diesem Kompliment verneigte sich Gemba.
»Und Lord Otori der Bambus.«
»Beweglich bin ich schon, denke ich«, erwiderte Takeo lächelnd.
»Nach allem, was ich über Ihre Vergangenheit weiÃ, denke ich das auch. Trotzdem ist der Bambus äuÃerst mühsam auszuroden, wenn er am falschen Ort wächst.«
»Er wächst immer wieder nach«, stimmte Takeo zu. »Besser, man lässt ihn, wo er ist, und nutzt seine vielen verschiedenartigen Eigenschaften.«
»Ha!« Saga lachte wieder triumphierend. Sein Blick schweifte zu Shigeko, und er betrachtete sie mit einer eigentümlichen Mischung aus Berechnung und Begehren. Er schien sie direkt ansprechen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders und wandte sich an Takeo.
»Erklärt diese Philosophie, warum Sie nichts gegen Arai unternommen haben?«
Takeo antwortete: »Selbst eine giftige Pflanze kann nützlich sein, zum Beispiel in der Medizin.«
»Wie ich höre, interessiert Sie die Landwirtschaft.«
»Mein Vater Lord Shigeru hat mich vor seinem Tod darin unterrichtet. Wenn die Bauern zufrieden sind, ist das Land reich und stabil.«
»Nun, in den letzten paar Jahren hatte ich wenig Zeitfür die Landwirtschaft. Ich hatte zu viel mit Kämpfen zu tun. Aber als Folge waren die Nahrungsmittel in diesem Winter knapp. Wie Okuda mir erzählt, produzieren die Drei Länder einen Ãberschuss an Reis.«
»In vielen Teilen unseres Landes erntet man inzwischen zweimal pro Jahr«, sagte Takeo. »Es stimmt, dass wir groÃe Vorräte an Reis und auch an Sojabohnen, Weizen, Hirse und Sesam haben. Wir sind seit vielen Jahren durch gute Ernten gesegnet und Dürre und Hungersnot sind uns erspart geblieben.«
»Sie haben ein Juwel geschaffen. Kein Wunder, dass viele Leute begierig darauf schielen.«
Takeo neigte leicht den Kopf. »Ich bin das legale Oberhaupt des Otoriclans und der rechtmäÃige Herrscher der Drei Länder. Meine Herrschaft ist gerecht und vom Himmel gesegnet. Ich spreche nicht von diesen Dingen, um zu prahlen, doch wenn ich um Ihre Unterstützung und die Gunst des Kaisers nachsuche â ja, sogar bereit bin, mich Ihnen, dem General des Kaisers, zu fügen â, dann nur zu Bedingungen, die mein Land und meine Erben schützen.«
»Darüber reden wir später. Lassen Sie uns erst einmal essen und trinken.«
Passend zum kargen Raum war das Essen köstlich: Jedes der eleganten Gerichte der Hauptstadt war sowohl für die Augen als auch für die Zunge ein auÃerordentliches Erlebnis. Auch Reiswein wurde ausgeschenkt, doch Takeo trank wenig, weil er wusste, dass sich die Verhandlungen bis zum Anbruch der Nacht hinziehen konnten. Okuda und Kono gesellten sich zum Essen zu ihnen, unddie Gespräche waren freundlich und vielfältig, drehten sich um Malerei, Architektur, um die Besonderheiten der Drei Länder im Vergleich mit denen der Hauptstadt und um die Dichtkunst. Gegen Ende des Essens verlieh Okuda, der mehr getrunken hatte als alle anderen, seiner leidenschaftlichen Bewunderung für das Kirin Ausdruck.
»Ich würde es gern mit eigenen Augen sehen«, sagte Saga und sprang auf die Beine, allem Anschein nach spontan. »Gehen wir dorthin. Der Nachmittag ist schön. Wir werden einen Blick auf das Gelände werfen, auf dem der Wettstreit
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