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Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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immer Aufmerksamkeit – und meist eine der unerwünschtesten Art!«
    Â»Wären wir doch bloß als Jungen geboren!«, sagte Miki, und obwohl sie sich um einen scherzhaften Ton bemühte, hörte Shizuka die Traurigkeit aus ihrer Stimme heraus. Sie dachte daran, wie sehr Kaede ihren kleinen Sohn vergötterte, wusste, dass diese ihren Zwillingstöchtern niemals eine so tiefe Liebe entgegengebracht hatte, und erkannte die Einsamkeit der beiden Mädchen, die in zwei Welten zugleich aufwuchsen. Wenn sich die Mutofamilie gegen ihren Vater wandte, würde sich diese Ablehnung auch gegen die Mädchen richten, und man würde versuchen, sie gemeinsam mit Takeo zu töten.
    Â»Bunta und sein Sohn werden uns bis Hofu begleiten. Wenn wir dort ankommen, wird Taku sich um uns kümmern. Dann siehst du Maya wieder und wir werden alle in Sicherheit sein!«
    Miki nickte und lächelte gezwungen. Shizuka bedauerte ihre Worte, obwohl sie als Trost gemeint gewesen waren. Sie schienen einen Funken der Beunruhigung zur Flamme geschürt zu haben. Sie hatte das Gefühl, die Götter herausgefordert zu haben, die sich jetzt gegen sie wenden und zuschlagen würden.
    In jener Nacht gab es ein kleines Erdbeben, das viele Gebäude erschütterte und in manchen Stadtteilen Brände auslöste. Die Luft war immer noch voller Staub und Rauch, als sie mit zwei zusätzlichen Pferden aufbrachen. Auf einem ritt ein Pferdeknecht aus dem Haushalt der Miyoshi. Wie vereinbart trafen sie sich mit Bunta und dessen Sohn am Graben, gleich vor den Schlosstoren.
    Â»Hast du irgendetwas von Taku gehört?«, fragte Shizuka Bunta, weil sie dachte, ihr Sohn könnte vielleicht Kontakt zur Mutofamilie aufgenommen haben.
    Â»Yoshio hat seit dem letzten Neumond nichts mehr von ihm gehört und zwischendurch nur erfahren, dass er sich noch in Hofu aufhält.« Bunta grinste vielsagend, als er dies sagte, und zwinkerte seinem Sohn zu, der auflachte.
    Wissen denn alle von seiner Schwärmerei für Sada? , fragte sich Shizuka und ärgerte sich plötzlich über ihren jüngeren Sohn.
    Doch am ersten Abend ihrer Reise klopfte Bunta an die Tür, kurz nachdem Shizuka und Miki sich schlafen gelegt hatten, und rief leise. Er hatte mit anderen Reisenden in einer Schänke in der kleinen Durchgangsstadt getrunken. Shizuka roch den Wein in seinem Atem.
    Â»Komm raus. Ich habe gerade schlechte Neuigkeiten gehört.«
    Er war nicht betrunken, aber der Wein hatte ihn abgestumpft und seine Zunge gelöst.
    Shizuka holte das Messer unter der Matratze hervor, steckte es unter ihr Nachtgewand und hüllte sich in ihren Mantel. Sie folgte Bunta an das Ende der Veranda. Dorthin fiel kein Mondlicht. Die Stadt war still, denn die Reisenden wollten noch ein paar Stunden schlafen, bevor sie in der Dämmerung weiterzogen. Es war so dunkel, dass Buntas Miene nicht zu erkennen war.
    Â»Vielleicht ist es nur ein Gerücht, aber ich dachte, du willst es hören.« Er verstummte, dann sagte er unbeholfen: »Mach dich auf keine gute Neuigkeit gefasst.«
    Â»Was ist es?«, fragte sie lauter als beabsichtigt.
    Â»Taku, dein Sohn, ist auf der Straße überfallen worden, offenbar von Straßenräubern. Er und die Frau, Sada, sind dabei getötet worden.«
    Â»Das kann doch unmöglich stimmen«, erwiderte sie. »Wo im Mittleren Land gibt es denn Räuber?«
    Â»Die Einzelheiten kennt niemand. Aber in der Schänke haben die Leute darüber geredet.«
    Â»Leute des Stammes? Muto?«
    Â»Muto und Kuroda.« Er fügte unangenehm berührt hinzu: »Tut mir leid.«
    Er weiß, dass es wahr ist , dachte sie, und sie wusste es selbst. Als sie auf dem Weg nach Kagemura eine so tiefe Traurigkeit gefühlt und Kondos Geist in ihrer Nähe gespürt hatte, hatten die Toten sie gerufen, und nun war Taku einer der ihren. Das überlebe ich nicht , war ihr nächster Gedanke, denn der Schmerz war schon jetzt so groß, dass sie nicht wusste, wie sie ihn aushalten sollte, wie sie in einer Welt weiterleben sollte, in der es Taku nicht mehr gab. Sie griff unter ihr Gewand und tastete nach dem Messer, um es sich in die Kehle zu stoßen und ihre Seelenqual durch den körperlichen Schmerz zu beenden. Doch irgendetwas hielt sie davon ab.
    Sie senkte die Stimme, da Miki in der Nähe schlief. »Lord Otoris Tochter Maya war in Takus Obhut. Ist sie auch tot?«
    Â»Niemand hat sie

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