Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers

Titel: Der Clan der Otori – Der Ruf des Reihers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
löste in Takeo einen ähnlich primitiven Zorn aus, und er gab sich ihm hin, weil er jedes Bedauern auslöschte. Jato reagierte und fand die ungeschützte Stelle an Okudas Nacken. Die Wildheit, mit der der Mann angestürmt kam, sorgte dafür, dass ihm das Schwert tief in Fleisch und Venen fuhr.
    Später am zweiten Tag trieben Hiroshi und seine Männer die Truppen Sagas bei einem Gegenangriff zurück zum Pass. Kahei hatte eine Angriffsstrategie vorbereitet, durch die man die auf dem Rückzug befindlichen und vom stundenlangen Nahkampf erschöpften Soldaten in die Zange nehmen konnte. Dicht hinter Hiroshi ritt sein Cousin, Sakai Masaki, und Hiroshi erinnerte sich plötzlich an eine verrückte Reise, die er im Alter von zehn Jahren gemeinsam mit Sakai bei genauso heftigem Regen unternommen hatte. Damals hatte er sich nach einer Schlacht gesehnt, aber der Weg, dem er später gefolgt war, war einer des Friedens gewesen. Nun spürte er, wie das Blut seiner Vorfahren durch seine Adern pulste. Er verdrängte alle anderen Gedanken und konzentrierte sich auf das Kämpfen, das Töten, das Siegen, denn seine ganze Zukunft hing von einem Sieg ab.Im Falle einer Niederlage würde er entweder im Kampf sterben oder sich selbst das Leben nehmen. Er kämpfte mit einer Raserei, die ihn selbst überraschte und die Männer an seiner Seite anspornte. Gemeinsam trieben sie die feindlichen Kräfte zum Pass zurück, wo sie in der Falle saßen.
    Da sie keine Fluchtmöglichkeit mehr hatten, verteidigten sich Sagas Männer noch verzweifelter. Bei einem ihrer Ausfälle ging Keri in die Knie, an Hals und Schulter blutend. Hiroshi sah sich plötzlich zwei Kriegern zu Fuß gegenüber. Er kam im Schlamm ins Stolpern und fiel auf ein Knie, wandte sich um, als das eine Schwert auf ihn niedersauste, und parierte den Schlag. Dann schlug der zweite Krieger zu. Hiroshi sah, wie Sakai sich dazwischenwarf. Blut nahm ihm die Sicht, entweder seines oder das von Sakai. Das Gewicht von Sakais Körper drückte ihn in den Schlamm, während über ihm der Kampf weitertobte. Für einen Moment empfand er nur Unglauben darüber, dass es so mit ihm zu Ende gehen sollte, und dann ertrank er in einer Welle des Schmerzes.
    Gemba fand ihn bei Anbruch der Nacht. Er hatte Verletzungen an Kopf und Beinen, war kurz vor dem Verbluten und durch Dreck und Feuchtigkeit eiterten die Wunden. Gemba stillte die Blutungen und säuberte die Wunden so gut wie möglich, dann trug er Hiroshi hinter die Reihen zu den anderen Verwundeten. Takeo war unter ihnen. Er hatte tiefe, aber ungefährliche Hiebwunden an Arm und Schulter, die bereits gewaschen und mit Papierbandagen verbunden worden waren.
    Shigeko war unverletzt, aber bleich vor Erschöpfung.
    Â»Ich habe ihn gefunden«, sagte Gemba. »Er lebt, aber sein Leben hängt am seidenen Faden. Sakai lag tot auf ihm. Offenbar hat er ihm das Leben gerettet.«
    Er legte den Verwundeten hin. Man hatte Lampen entzündet, die im Regen qualmten und flackerten. Takeo kniete sich neben Hiroshi, ergriff seine Hand und rief ihm zu: »Hiroshi! Lieber Freund! Geh nicht von uns. Kämpfe! Kämpfe!«
    Hiroshis Lider zuckten. Er atmete flach und keuchend. Seine Haut glänzte von Regen und Schweiß.
    Shigeko kniete sich neben ihren Vater. »Er kann doch nicht sterben! Er darf nicht sterben!«
    Â»Bis jetzt hat er überlebt«, sagte Gemba. »Daran können Sie erkennen, wie kräftig er ist.«
    Â»Wenn er diese Nacht übersteht, gibt es Hoffnung«, stimmte Takeo zu. »Verzweifele noch nicht.«
    Â»Das ist alles so schrecklich«, flüsterte Shigeko. »Es ist einfach unverzeihlich, einen Menschen zu töten.«
    Â»Es ist der Weg des Kriegers«, sagte Gemba. »Krieger kämpfen und sterben.«
    Shigeko antwortete nicht, aber die Tränen liefen ihr unablässig über die Wangen.
    Â»Wie lange hält Saga das noch durch?«, fragte Kahei später am Abend Takeo, bevor sie sich kurz hinlegten. »Das ist doch Wahnsinn. Er opfert seine Männer für nichts und wieder nichts.«
    Â»Saga hat einen unglaublichen Stolz«, antwortete Takeo. »Er ist noch nie besiegt worden. Er denkt nicht einmal im Traum an eine Niederlage.«
    Â»Wie können wir ihn überzeugen? Wir können ihm zwar unbegrenzt lange standhalten – ich hoffe, unsere Soldaten beeindrucken dich, denn meiner Meinung nach kämpfen

Weitere Kostenlose Bücher