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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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waren. Yamagata lag im Herzen des Mittleren Landes, hatte nie Angriffe überstehen müssen und das Schloss war nicht zur Verteidigung gebaut worden. Die Gebäude der Residenz waren alle aus Holz. Sie standen hinter Mauern und kräftigen Toren, doch Shigeru sah, wie leicht diese Hindernisse zu überwinden waren. Iida Sadamu baute sich angeblich ein mächtiges Schloss in Inuyama. Sollten die Otori ihre Städte ebenso befestigen? Auch das wollte er mit Nagai diskutieren.
    Es war ungefähr die zweite Hälfte der Stunde des Wildschweins. Der Mond schien nicht, aber die Sterne leuchteten hell in die kalte klare Nacht. In der Luft lag ein Hauch von Frost, der Atem der Männer war zu sehen und ein leichter Nebel stieg aus dem Wasser. Am Ufer ragten Binsen auf wie Lanzen und die langen, jetzt fast kahlen Zweige der Weiden waren in den bleichen Dunst gehüllt.
    In der Stadt war es still, die meisten Bewohner schliefen schon. Nur vor ein paar Schänken und Freudenhäusern schienen noch Lampen in einem warmen Orange. Von drinnen drang Musik, Frauengesang und Männergelächter heraus, die Stimmen waren laut vom Wein.
    Das Todoya stand am Flussufer, seine Veranden streckten sich über das Wasser. Lange Boote waren unter ihnen vertäut und Laternen hingen an den Ecken der Dachvorsprünge und am Heck der Boote. Kohlenpfannen waren auf die Veranden gebracht worden und mehrere Leute saßen, in Pelze gehüllt, draußen und genossen die helle Herbstnacht. Zwei von Kiyoshiges Männern standen vor dem Haupteingang. Als sie Shigeru erkannten, rief einer von ihnen ins Haus nach einer Magd, die Kiyoshige holen sollte, während der andere kniend Shigerus Sandalen öffnete.
    Kiyoshige kam, lächelte wissend und führte Shigeru zu einem Raum hinten im Haus. Es war ein Privatzimmer, für besondere Gäste reserviert, groß, behaglich und von zwei Kohlenpfannen erwärmt, obwohl die Türen zum Garten offen standen. Die Nacht war windstill. Wasser rieselte von einem Trinkbrunnen, das Echo klang wieeine Glocke. Gelegentlich raschelte es, wenn ein Blatt sich löste und fiel.
    Eine junge Frau, etwa siebzehn Jahre alt, kniete bei einer der Kohlenpfannen. Sie war klein, aber nicht so leicht und zart wie Shigerus Frau. Ihre Glieder waren kräftig, fast muskulös, und unter ihrem Gewand war ihr Körper gedrungen und fest. Sie verneigte sich bis zum Boden, als Shigeru eintrat, und setzte sich auf, weil Kiyoshige sie dazu aufforderte. Sie hielt die Augen niedergeschlagen und ihr ganzes Benehmen war bescheiden und kultiviert, doch Shigeru vermutete, dass es ihr nicht ganz entsprach. Sein Verdacht wurde bestätigt, als sie ihn kurz anschaute, seinen Blick traf und ihn erwiderte. Ihr Blick war außerordentlich scharf und intelligent. Sie ist mehr, als sie scheint, dachte er plötzlich. Ich muss sehr darauf achten, was ich sage.
    Â»Lord Otori«, begann sie, »es ist eine große Ehre.« Ihre Stimme war sanft und ebenfalls kultiviert, sie sprach formell und höflich. Doch sie war in einem Freudenhaus. Shigeru wurde nicht klug aus ihr. »Ich heiße Shizuka.«
    Wieder ahnte er Verstellung. Der Name bedeutete Gelassenheit, Friede, doch er spürte, dass diese Frau keineswegs gelassen war. Sie schenkte ihm und Kiyoshige Wein ein.
    Â»Du bist aus Kumamoto, glaube ich«, sagte er, als würde er leichte Konversation machen.
    Â»Meine Mutter wohnt dort, aber ich habe viele Verwandte in Yamagata. Mein Familienname ist Muto. Lord Otori hat vielleicht von ihnen gehört.«
    Er erinnerte sich aus Nagais Protokollen an einenKaufmann dieses Namens, einen Hersteller von Produkten aus Sojabohnen, glaubte er, und wusste sogar, wo dessen Haus stand.
    Â»Du besuchst also deine Verwandten?«
    Â»Zu diesem Zweck komme ich häufig nach Yamagata.« Sie schaute kurz zu Kiyoshige und senkte die Stimme. »Verzeihen Sie mir, Lord Otori, wenn ich näher komme. Wir wollen nicht von den falschen Leuten gehört werden.« Sie rutschte auf ihn zu, bis sie Knie an Knie saßen. Er konnte ihren Duft riechen und musste sich eingestehen, dass sie anziehend war. Ihre Stimme hatte nichts von ihrer Weiblichkeit verloren, doch sie redete direkt und sachlich wie ein Mann.
    Â»Ein Verwandter von Ihnen, Otori Danjo, kam vor zwei Wochen nach Kumamoto. Er ist so alt wie Lord Arais ältester Sohn, Daiichi. Sie lernten sich in Maruyama als Jungen kennen, beide wurden von Sugita Haruki

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