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Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels

Titel: Der Clan der Otori – Die Weite des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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Nachmittagsdunst auf, es kreuzte gegen den Südwestwind. Shigeru watete zu ihmhinaus und wurde über das Dollbord hinaufgezogen. Die Decks waren glitschig vom Blut der Fische, die bereits ausgenommen und in Salzfässer gepackt worden waren. Große Bottiche voll Seewasser enthielten den lebenden Fang. Der starke Gestank drehte einem fast den Magen um, die Männer waren müde, schmutzig und brannten darauf, nach Hause zu kommen.
    Â»Haben Sie irgendwelche Erscheinungen gesehen?«, fragte Fumio eifrig und Shigeru erzählte ihm die Geschichte von dem Mädchen, das mit dem Tod verlobt wurde, und den Geistern beim Hochzeitsfest.
    Â»Und Sie haben sie in Katte Jinja gesehen?«, fragte der Junge.
    Â»Aber ja«, sagte Shigeru im gleichen ernsten Ton, er spürte, dass Terada ihn beobachtete. »Ich werde nach Hause gehen und alles aufschreiben. Eines Tages wirst du vielleicht meine Sammlung lesen.«
    Fumio stöhnte. »Ich hasse Lesen.«
    Sein Vater gab ihm einen Klaps. »Du wirst Lord Otoris Buch lesen und deinen Spaß daran haben«, sagte er.
    Früh am nächsten Morgen segelten sie in den Hafen von Hagi. Shigeru war fast die ganze Nacht wach gewesen, hatte die Sterne und den abnehmenden Mond betrachtet, die erste Andeutung des Morgengrauens und den strahlenden Sonnenaufgang gesehen, bei dem die orangefarbene Scheibe sich über die östlichen Berge schob und ihr außergewöhnliches Licht über die Meeresoberfläche goss. Am Dock dankte er Terada und glaubte wieder sowohl Spott als auch Enttäuschung in den Zügen des Älteren zu sehen.
    Er schlenderte zurück zu seinem Haus, blieb des Öfteren stehen und redete mit verschiedenen Ladenbesitzern und Händlern auf dem Weg, diskutierte die Frühjahrspflanzung, untersuchte verschiedene Waren, die vom Festland gekommen waren, und trank Tee mit dem einen, Reiswein mit einem anderen.
    Als er an seinem eigenen Tor angelangt war und hindurchging in den Garten, wobei er die Wachtposten fröhlich grüßte, sah er seine Mutter in dem Raum sitzen, der an die östliche Veranda anschloss. Er ging zu ihr und wünschte ihr guten Morgen.
    Â»Shigeru!«, rief sie. »Willkommen zu Hause.« Sie musterte rasch seine Kleidung und sagte: »Du warst so doch nicht draußen in der Stadt?«
    Â»Ich war ein paar Tage auf See«, sagte er. »Es war sehr interessant, Mutter. Weißt du, dass sie zwischen Hagi und Oshima Brassen, Tintenfisch, Makrelen und Sardinen fangen?«
    Â»Brassen oder Tintenfisch interessieren mich nicht«, entgegnete sie. »Du stinkst nach Fisch – und deine Kleider! Hast du ganz vergessen, wer du bist?«
    Â»Dann gehe ich besser und bade, wenn ich stinke«, sagte er, ohne sich durch ihren Ärger verstimmen zu lassen.
    Â»Ja, und kleide dich sorgfältig an. Du musst ins Schloss. Deine Onkel wollen mit dir reden.«
    Â»Ich werde ihnen von den Geistern erzählen, die ich gesehen habe.« Shigeru lächelte. »Ich habe vor, eine Sammlung alter Geschichten von Erscheinungen zu erstellen. Das wäre ein schöner Titel! ›Alte Geschichten von Erscheinungen‹.«
    Der Gesichtsausdruck seiner Mutter war Teradas Enttäuschung und Spott nicht unähnlich. Er empfand einen absurden Ärger darüber, dass sie sich so leicht täuschen ließ, dass sie so wenig von ihm hielt.
    Er überlegte, ob er seine Onkel warten lassen und ihnen eine Nachricht schicken sollte, die ihnen mitteilte, er sei müde nach seiner Reise, doch er wollte sie nicht verärgern und ihnen keinen Grund geben, seine Unternehmungen einzuschränken. Nachdem er gebadet, Chiyo ihm Stirn und Bart gezupft und rasiert hatte, kleidete sich Shigeru sorgfältig in seine formellen Gewänder, wählte aber die ältesten und unauffälligsten. Bevor er ging, steckte er Jato mit dem immer noch umwickelten Griff in seine Schärpe und das Stück Schnur, das Fumio ihm gegeben hatte, in sein Obergewand, wobei er die ganze Zeit darüber nachdachte, wie er am besten die kurze Strecke zum Schloss zurücklegen sollte. Er beschloss, seinen schwarzen Hengst Kyu im Stall zu lassen – Pferde waren noch selten und er wollte seinen Onkeln nicht die Möglichkeit geben, einem von ihnen sein eigenes Pferd schenken zu müssen. Er entschied, zu Fuß zu gehen – das erschien ihm angemessen exzentrisch –, doch seine Mutter war so schockiert, dass er einlenkte

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